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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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nämlich dieses Laster, trotz seiner Abscheulichkeit, zu allen Zeiten und in allen Ländern der Welt, völlig im Schwange und in häufiger Ausübung. Allbekannt ist, daß dasselbe bei Griechen und Römern allgemein verbreitet war, und ohne Scheu und Schaam öffentlich eingestanden und getrieben wurde. Hievon zeugen alle alten Schriftsteller, mehr als zur Genüge. Zumal sind die Dichter sammt und sonders voll davon: nicht ein Mal der keusche Virgil ist auszunehmen (Ecl. 2). Sogar den Dichtern der Urzeit, dem Orpheus (den deshalb die Mänaden zerrissen) und dem Thamyris, ja, den Göttern selbst, wird es angedichtet. Ebenfalls reden die Philosophen viel mehr von dieser, als von der Weiberliebe: besonders scheint Plato fast keine andere zu kennen, und eben so die Stoiker, welche sie als des Weisen würdig erwähnen (Stob. ecl. eth., L. II, c. 7). Sogar dem Sokrates rühmt Plato, im Symposion, es als eine beispiellose Heldenthat nach, daß er den, sich ihm dazu anbietenden Alkibiades verschmäht habe. In Xenophons Memorabilien spricht Sokrates von der Päderastie als einer untadelhaften, sogar lobenswerthen Sache. (Stob. Flor., Vol. 1, p. 57.) Eben so in den Memorabilien (Lib. I, cap. 3, § 8) , woselbst Sokrates vor den Gefahren der Liebe warnt, spricht er so ausschließlich von der Knabenliebe, daß man denken sollte, es gäbe gar keine Weiber. Auch Aristoteles (Pol. II, 9) spricht von der Päderastie als etwas Gewöhnlichem, ohne sie zu tadeln, führt an, daß sie bei den Kelten in öffentlichen Ehren gestanden habe, und bei den Kretern die Gesetze sie begünstigt hätten, als Mittel gegen Uebervölkerung, erzählt (c. 10) die Männerliebschaft des Gesetzgebers Philolaos u.s.w. Cicero sagt sogar: Apud Graecos opprobrio fuit adolescentibus, si amatores non haberent. Für gelehrte Leser bedarf es hier überhaupt keiner Belege: sie erinnern sich deren zu Hunderten: denn bei den Alten ist Alles voll davon. Aber selbst bei den roheren Völkern, namentlich bei den Galliern, war das Laster sehr im Schwange. Wenden wir uns nach Asien, so sehn wir alle Länder dieses Welttheils, und zwar von den frühesten Zeiten an, bis zur gegenwärtigen herab, von dem Laster erfüllt, und zwar ebenfalls ohne es sonderlich zu verhehlen: Hindu und Chinesen nicht weniger, als die Islamitischen Völker, deren Dichter wir ebenfalls viel mehr mit der Knaben-, als mit der Weiberliebe beschäftigt finden; wie denn z.B. im Gulistan des Sadi das Buch »von der Liebe« ausschließlich von jener redet. Auch den Hebräern war dies Laster nicht unbekannt; da Altes und Neues Testament desselben als strafbar erwähnen. Im Christlichen Europa endlich hat Religion, Gesetzgebung und öffentliche Meinung ihm mit aller Macht entgegenarbeiten müssen: im Mittelalter stand überall Todesstrafe darauf, in Frankreich noch im 16. Jahrhundert der Feuertod, und in England wurde noch während des ersten Drittels dieses Jahrhunderts die Todesstrafe dafür unnachläßlich vollzogen; jetzt ist es Deportation auf Lebenszeit. So gewaltiger Maaßregeln also bedurfte es, um dem Laster Einhalt zu thun; was denn zwar in bedeutendem Maaße gelungen ist, jedoch keineswegs bis zur Ausrottung desselben; sondern es schleicht, unter dem Schleier des tiefsten Geheimnisses, allezeit und überall umher, in allen Ländern und unter allen Ständen, und kommt, oft wo man es am wenigsten erwartet, plötzlich zu Tage. Auch ist es in den früheren Jahrhunderten, trotz allen Todesstrafen, nicht anders damit gewesen: dies bezeugen die Erwähnungen desselben und Anspielungen darauf in den Schriften aus allen jenen Zeiten. – Wenn wir nun alles Dieses uns vergegenwärtigen und wohl erwägen; so sehn wir die Päderastie zu allen Zeiten und in allen Ländern auf eine Weise auftreten, die gar weit entfernt ist von der, welche wir zuerst, als wir sie bloß an sich selbst betrachteten, also a priori , vorausgesetzt hatten. Nämlich die gänzliche Allgemeinheit und beharrliche Unausrottbarkeit der Sache beweist, daß sie irgendwie aus der menschlichen Natur selbst hervorgeht; da sie nur aus diesem Grunde jederzeit und überall unausbleiblich auftreten kann als ein Beleg zu dem

    Naturam expellas furca, tamen usque recurret.

    Dieser Folgerung können wir daher uns schlechterdings nicht entziehn, wenn wir redlich verfahren wollen. Ueber diesen Thatbestand aber hinwegzugehn und es beim Schelten und Schimpfen auf das Laster bewenden zu lassen, wäre freilich leicht, ist jedoch nicht meine Art mit den

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