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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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change). Die Natur kennt nämlich nur das Physische, nicht das Moralische: sogar ist zwischen ihr und der Moral entschiedener Antagonismus. Erhaltung des Individui, besonders aber der Species, in möglichster Vollkommenheit, ist ihr alleiniger Zweck. Zwar ist nun auch physisch die Päderastie den dazu verführten Jünglingen nachtheilig; jedoch nicht in so hohem Grade, daß es nicht von zweien Uebeln das kleinere wäre, welches sie demnach wählt, um dem sehr viel größern, der Depravation der Species, schon von Weitem auszuweichen und so das bleibende und zunehmende Unglück zu verhüten.
    Dieser Vorsicht der Natur zufolge stellt, ungefähr in dem von Aristoteles angegebenen Alter, in der Regel, eine päderastische Neigung sich leise und allmälig ein, wird immer deutlicher und entschiedener, in dem Maaße, wie die Fähigkeit, starke und gesunde Kinder zu zeugen, abnimmt. So veranstaltet es die Natur. Wohl zu merken jedoch, daß von diesem eintretenden Hange bis zum Laster selbst noch ein sehr weiter Weg ist. Zwar wenn, wie im alten Griechenland und Rom, oder zu allen Zeiten in Asien, ihm kein Damm entgegengesetzt ist, kann er, vom Beispiel ermuthigt, leicht zum Laster führen, welches dann, in Folge hievon, große Verbreitung erhält. In Europa hingegen stehn demselben so überaus mächtige Motive der Religion, der Moral, der Gesetze und der Ehre entgegen, daß fast Jeder schon vor dem bloßen Gedanken zurückbebt, und wir demgemäß annehmen dürfen, daß unter etwan drei Hundert, welche jenen Hang spüren, höchstens Einer so schwach und hirnlos seyn wird, ihm nachzugeben; um so gewisser, als dieser Hang erst in dem Alter eintritt, wo das Blut abgekühlt und der Geschlechtstrieb überhaupt gesunken ist, und er andererseits an der gereiften Vernunft, an der durch Erfahrung erlangten Umsicht und der vielfach geübten Festigkeit so starke Gegner findet, daß nur eine von Haus aus schlechte Natur ihm unterliegen wird.
    Inzwischen wird der Zweck, den die Natur dabei hat, dadurch erreicht, daß jene Neigung Gleichgültigkeit gegen die Weiber mit sich führt, welche mehr und mehr zunimmt, zur Abneigung wird und endlich bis zum Widerwillen anwächst. Hierin erreicht die Natur ihren eigentlichen Zweck um so sicherer, als, je mehr im Manne die Zeugungskraft abnimmt, desto entschiedener ihre widernatürliche Richtung wird. – Diesem entsprechend finden wir die Päderastie durchgängig als ein Laster alter Männer. Nur solche sind es, welche dann und wann, zum öffentlichen Skandal, darauf betroffen werden. Dem eigentlich männlichen Alter ist sie fremd, ja, unbegreiflich. Wenn ein Mal eine Ausnahme hievon vorkommt; so glaube ich, daß es nur in Folge einer zufälligen und vorzeitigen Depravation der Zeugungskraft seyn kann, welche nur schlechte Zeugungen liefern könnte, denen vorzubeugen, die Natur sie ablenkt. Daher auch richten die in großen Städten leider nicht seltenen Kinäden ihre Winke und Anträge stets an ältere Herren, niemals an die im Alter der Kraft stehenden, oder gar an junge Leute. Auch bei den Griechen, wo Beispiel und Gewohnheit hin und wieder eine Ausnahme von dieser Regel herbeigeführt haben mag, finden wir von den Schriftstellern, zumal den Philosophen, namentlich Plato und Aristoteles, in der Regel, den Liebhaber ausdrücklich als ältlich dargestellt. Insbesondere ist in dieser Hinsicht eine Stelle des Plutarch bemerkenswerth im Liber amatorius, c. 5 : Ho paidikos erôs, opse gegonôs, kai par' hôran tô biô, nothos kai skotios, exelaunei ton gnêsion erôta kai presbyteron . (Puerorum amor, qui, quum tarde in vita et intempestive, quasi spurius et occultus, exstitisset, germanum et natu majorem amorem expellit.) Sogar unter den Göttern finden wir nur die ältlichen, den Zeus und den Herakles, mit männlichen Geliebten versehn, nicht den Mars, Apollo, Bakchus, Merkur. – Inzwischen kann im Orient der in Folge der Polygamie entstehende Mangel an Weibern hin und wieder gezwungene Ausnahmen zu dieser Regel veranlassen: eben so in noch neuen und daher weiberlosen Kolonien, wie Kalifornien u.s.w. – Dem entsprechend nun ferner, daß das unreife Sperma, eben so wohl wie das durch Alter depravirte, nur schwache, schlechte und unglückliche Zeugungen liefern kann, ist, wie im Alter, so auch in der Jugend eine erotische Neigung solcher Art zwischen Jünglingen oft vorhanden, führt aber wohl nur höchst selten zum wirklichen Laster, indem ihr, außer den oben genannten Motiven, die Unschuld,

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