Die Welt aus den Fugen
gehört hätten, wäre es vielleicht besser gewesen ⦠Klaus von Bismarck nahm mich dann zwei Stunden lang ins Gebet. Am Ende sagte er kurz und preuÃisch: »Machen Sie weiter.« So etwas wäre heute nicht mehr möglich.
Ich würde gerne mit Ihnen über die kurze Phase sprechen, in der Sie Herausgeber und Chefredakteur des Magazins »Stern« waren. Sie kamen zum »Stern«, weil das Heft durch die Affäre mit den gefälschten Hitler-Tagebüchern schwer angeschlagen war. Sie sollten das Image wieder aufpolieren. Warum ist das schiefgegangen? Sie haben die Redaktion ja bereits nach einem Jahr wieder verlassen.
Ich paÃte nicht in deren Raster. Die meisten »Stern«-Redakteure waren ehemalige 68er. Bei denen war zum Beispiel eine Zeitlang das Waldsterben ein groÃes Thema â inzwischen gibt es mehr Wald als jemals zuvor in Deutschland. Das war eine ähnliche Hysterie wie heute bei der Debatte um den Klimaschutz. Als ob wir darauf wirklich Einfluà hätten, da müÃten wir schon zur Sonne fliegen oder zum lieben Gott beten.
In diese Zeit fiel auch die Flick-Affäre. Ich hatte nie Innenpolitik gemacht, sie war mir ein Greuel. Die Politiker, die in die Flick-Affäre involviert waren, kannte ich alle ziemlich gut. Als dann die Journalisten mit ihren Enthüllungen zu mir kamen, sagte ich: »Ich zahle keinen Pfennig dafür.« â »Brauchen Sie auch nicht«, hieà es, »die Staatsanwaltschaft Düsseldorf liefert die Informationen frei Haus.« Da hatte ich keine Argumente mehr und muÃte die Geschichte veröffentlichen. Aber ich konnte danach nicht mehr in den Spiegel schauen und kam mir ganz komisch vor.
Als nächstes folgte die groÃe Debatte um die Nachrüstung. Ich war dezidiert für die Nachrüstung. Ich sagte mir: »Wenn die Russen ihre SS-20 aufbauen, müÃen wir etwas dagegensetzen.« Heute betrachte ich mit heiterem Grimmen diejenigen, die sich damals vor die Kasernen gelegt haben, um die Ankunft der Pershing II zu verhindern. Das sind dieselben Herren, die heute schreien, daà man in Afghanistan noch zehn Jahre draufhauen müsse. Sie sind zu Bellizisten geworden. Vor einem Mann wie Hans-Christian Ströbele habe ich allerdings hohe Achtung. Der ist sich immer treu geblieben. Alle anderen sind »Kriegslustige«, um ein Wort von Ernst Jünger zu gebrauchen. Und Jünger war nun wirklich kein Pazifist. Wir werden im Moment von Kriegslustigen regiert, die zudem von nichts Ahnung haben.
Sie haben nicht nur für das Fernsehen und die Printmedien gearbeitet, sondern parallel dazu auch unzählige Sachbücher geschrieben. Ihren Einstand als Sachbuchautor gaben Sie 1961 mit »Matata am Kongo«. Darin erzählen Sie die spektakuläre Geschichte um den Aufstieg und die Ermordung des antiwestlichen RegierungsÂchefs des Kongo, Patrice Lumumba. Wie war Ihre Begegnung mit ihm?
Ich bin einer von den Leuten, die Lumumba wohl am nächsten gekommen sind. Ich war der letzte, der ihn sah, bevor er umgebracht wurde. Als die Kamera aus war, sagte er: »Vielleicht muà ich sterben, damit Afrika einen Helden hat.« Das hat mich sehr berührt.
1979 haben Sie das Buch »Der Tod im Reisfeld« veröffentlicht. Es wurde zum erfolgreichsten Sachbuch, das nach 1945 in Deutschland erschienen ist. Danach begannen Sie, sich auch in Ihren Büchern intensiv mit dem Islam zu beschäftigen. 1983 veröffentlichten Sie »Allah ist mit den Standhaften â Begegnungen mit der islamischen Revolution«. Um welche Wirklichkeit ging es Ihnen in diesem Buch?
Damals gab es zwei Thesen zum Islam. Die eine besagte, daà der Islam eine Religion sei, die säkularisiert werden müsse. Das war die vorherrschende Schule, die auch von den meisten deutschen Orientalisten vertreten wurde. Die andere These stammte von Annemarie Schimmel, die wirklich eine bewundernswerte, hochintelligente Frau ist. Sie beschrieb einen mystischen Islam, einen Islam der Derwischorden und der weltumspannenden Liebe. Ich nannte das immer den Herz-Jesu-Islam. Ich hingegen vertrat eine dritte These, nämlich daà ein strenger, rigoroser und fundamentalistischer Islam kommen wird.
Damals stand ich mit meiner Meinung ziemlich alleine da. Ich wurde von den deutschen Orientalisten auf das allerheftigste bekämpft. Orientalisten sind im Grunde Philologen, von Politik verstehen sie nichts. Sie haben auch beim
Weitere Kostenlose Bücher