Die Welt aus den Fugen
kennenzulernen.
Genau, wobei ich sagen muÃ, daà die offiziellen Interviews im allgemeinen nicht viel hergeben. Wenn die wichtigen Leute dieser Welt etwas zu sagen haben, rufen sie sich ein Kamerateam und sagen genau das, was sie sagen wollen, mehr nicht. Sie sind darin geschult, allen weiteren Fragen auszuweichen.
Neulich verbrachte ich dreieinhalb Stunden mit Wladimir Putin in Sotschi am Schwarzen Meer. Wir waren eine kleine Gruppe von amerikanischen, britischen und deutschen Politologen. Wir aÃen mit ihm zu Abend und führten auf der Terrasse Gespräche. Diesen Mann zu beobachten, der sich ungeheuer natürlich verhalten hat, war hochinteressant. Da kann man dann schon eine Charakterstudie machen. Allerdings kann ich nicht behaupten, daà ich â wie der amerikanische Präsident Bush â durch ihn hindurchgesehen und eine ehrliche Haut erkannt hätte. Ich fand auch nicht unbedingt, daà er ein lupenreiner Demokrat ist, wie Gerhard Schröder das mal geäuÃert hat.
Von 1963 bis 1969 waren Sie für die ARD als Korrespondent in Paris. Es wird behauptet, Sie hätten den Deutschen Frankreich nähergebracht. Heute ist völlig vergessen, daà es in Deutschland eine starke Antipathie gegenüber Frankreich gab, und zwar nicht nur im Ersten Weltkrieg, sondern auch bei den Nazis und in den Nachkriegsjahren. Wie haben Sie es hingekriegt, diese Vorurteile abzubauen?
Ich habe 1963 das erste Büro des Deutschen Fernsehens in Paris eröffnet. Ich hatte groÃes Glück mit meinem damaligen Intendanten Klaus von Bismarck, obwohl er im Gegensatz zu mir kein Gaullist war. Aber Charles de Gaulle war nun einmal in Frankreich an der Macht, und seine Handlungen muÃten interpretiert werden. Ich versuchte, seine politischen Ideen zu vermitteln, wenngleich sie im völligen Gegensatz zur öffentÂlichen Meinung in Deutschland standen. Es ging ja nicht darum, was die Deutschen über de Gaulle dachten, sondern darum, was de Gaulle vorhatte. Dann passierte ein kleines Wunder: Obwohl ich nicht unbedingt wie ein deutscher Held aussehe, wurde ich innerhalb von drei Monaten zum beliebtesten Korrespondenten des Deutschen Fernsehens. Die Leute meinten zwar, daà ich mit meinem Gaullismus ein biÃchen spinne, aber sie achteten mich und gestanden mir eine gewisse Autorität zu.
Warum bewunderten Sie eigentlich Charles de Gaulle?
Mit de Gaulle hatte ich ein mythisches Anfangserlebnis. Ich war ja als Jugendlicher in einem katholischen, französischsprachigen Internat. Dort waren alle zutiefst frankophil. Der Zusammenbruch Frankreichs 1940 war für alle die totale Niederlage. Einer meiner Mitschüler kam dann mit einer Ausgabe der Zeitung »La Liberti« zu mir. Er deutete auf einen Artikel über einen Auftritt Charles de Gaulles in London und sagte: »Dieser General hat zum Widerstand aufgerufen. Er heiÃt Charles de Gaulle, Karl von Gallien. Wenn einer so einen Namen trägt, muà der liebe Gott etwas GroÃes mit ihm vorhaben.« Das hat sich mir eingeprägt.
Wie würden Sie heute das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland beschreiben?
Die Franzosen sind von Natur aus fremdenfeindlich, aber wenn sie ein Land einigermaÃen schätzen und ertragen, dann ist es Deutschland. Ich finde es wirklich bedauerlich, daà die Deutschen nicht wahrnehmen wollen, daà die Franzosen ihnen wohlgesonnen sind. Ich hoffe, daà das nicht für immer so bleibt.
Sie wurden dann für zwei Jahre Direktor des WDR . 1971 wechselten Sie allerdings überraschend von der ARD zum ZDF . Wie kam es dazu?
Ich habe mich damals im WDR wahnsinnig wohlgefühlt, auch wenn in den Medien immer etwas anderes behauptet wird. Mein Intendant Klaus von Bismarck und ich verstanden uns prima. Mein Wechsel zum ZDF hatte folgenden Hintergrund: Ich wollte eigentlich nie Fernsehdirektor werden. Ich war viel lieber Korrespondent, konnte reisen, und alles war gut.
Aber dann fanden sie beim WDR keinen neuen Fernsehdirektor. Von Bismarck lud mich daraufhin zu einem Frühstück, packte mich beim »porte épée« und teilte mir mit, daà ich den Posten übernehmen müsse. Ich hatte keine Wahl, ich muÃte das Angebot annehmen. Also wurde ich Fernsehdirektor und machte das, glaube ich, auch gut. Es war eine fabelhafte Zeit, bis Klaus von Bismarck verkündete, er sei PreuÃe und würde gerne rechtzeitig die Nachfolge für seinen Posten als
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