Die Welt in mir (German Edition)
hatte.
Als er auf den Boden fiel, kam
hinter ihm Alex zum Vorschein, der gerade sein Messer mit einem Tuch abwischte,
das sich sofort rot färbte. Er schaute mir in die Augen, so, als würde er dort
Angst oder Schrecken suchen.
Doch ich schaute zurück und signalisierte
ihm so, dass ich keine Angst hatte.
Er beugte sich runter und
durchsuchte die Taschen seines Opfers. Alex prüfte die Papiere und schmiss die
Geldbörse einfach zurück auf den toten Körper des Mannes. Alex verstaute sein
Messer in seinem Stiefel.
Ich überlegte, ob mir zuvor
jemals aufgefallen war, dass dort etwas war, kam aber zum Schluss, es nie
bemerkt zu haben.
„Zeit, um nach Hause zu gehen“,
sagte er, bevor er an mir vorbeiging.
Ich drehte mich um. Der erste
Tote, den ich je gesehen hatte und der erste, bei dessen Tötung ich dabei war.
Jetzt wusste ich, wozu Alex fähig war. Bisher war es mir zwar klar gewesen,
aber es war eher eine Ahnung als eine Gewissheit. Nun wusste ich es. Dennoch
machte es mir keine Angst. Vielleicht lag es daran, dass seine Regungen immer
noch Einfluss auf mich hatten. Dennoch fühlte ich auch eine unglaubliche
Sicherheit. Gerade hatte er bewiesen, wie weit er gehen würde, um mich zu
beschützen.
Die
Hoffnung in mir
Nur am
Rande nahm ich wahr, wie Alex in seine Tasche griff und sein Handy herauszog.
Er tippte darauf rum und hielt es sich ans Ohr. Ich war immer noch voller
Adrenalin und fühlte seinen Einfluss. Er und damit auch ich waren angespannt,
aber entschlossen. Was genau er dachte, konnte ich nicht sagen. Auch nicht, was
dies alles zu bedeuten hatte. Aber ich hielt ganz automatisch an seinen
Empfindungen fest, weil ich mich stark und sicher fühlte. Mittlerweile waren
sie mir so vertraut, dass sie meine vollkommen verdrängt hatten. Nachdem ich
sie über eine große Distanz festhalten musste und sie trotzdem so intensiv in
mir waren, kam es mir beinahe so vor, als seien es meine eigenen Gefühle und
nicht die von Alex.
„Ich bin's. Komm zur Wohnung
von Clara“, sagte Alex in sein Handy und holte mich damit aus meiner
Gedankenwelt heraus.
„Nein, sie ist unversehrt.
Zumindest körperlich“, erklärte er demjenigen am anderen Ende der Leitung und
schaute mich etwas skeptisch an.
Ich wurde ein wenig ungehalten
und auch wütend darüber, dass er mit jemandem über meine Verfassung sprach und
der andere offenbar glaubte, dass ich mich nicht verteidigen könnte. Dem würde
ich es zeigen, wenn ich ihn in die Finger bekäme.
„Gut. Dann bis gleich“, sagte
Alex zum Abschied und steckte sein Handy wieder in die Tasche.
Ich ließ das Gespräch noch
einmal Revue passieren. Mich traf es wie ein Blitz. Es war Josh am anderen Ende
der Leitung.
Mit einem Mal riss der Schleier
der Empfindungen auf und die Gefühle von Alex waren an den Rand gedrängt. Sofort
überfielen mich meine Emotionen. Wie konnte ich Josh nur für einen winzigen
Moment vergessen? Sonst dachte ich stets als Erstes daran, dass er am Telefon sein
könnte. Zwar war der dumpfe Schmerz noch ganz schwach da, aber er war zu
schwach, um beim Telefonat sofort wieder an die Oberfläche zu treten. Ganz
offensichtlich war ich wirklich vollkommen von Alex' Einfluss eingehüllt und hatte
deshalb meine Empfindungen größtenteils verdrängt. Jetzt war alles wieder da:
Der Kummer darüber, die Liebe meines Lebens verloren zu haben, und auch der
Schmerz meines gebrochenen Herzens. Als mich meine eigenen Empfindungen wieder
durchströmten, geriet ich ins Straucheln.
Alex packte mich automatisch
und bewahrte mich vor dem Fall. Er schaute mich mit gerunzelter Stirn an, fragte
aber nicht, was los war.
Mir war dies nur recht.
Es rührte sich auch ein kleiner
Hoffnungsschimmer in mir, denn mir fiel wieder ein, dass sich Josh nach meinem
Wohlbefinden erkundigt hatte. Doch so schnell dieser kleine Funken der Hoffnung
aufkam, so schnell erlosch er auch wieder. Es bestand die Möglichkeit, dass er
dies nur aus eigenem Interesse heraus gefragt hatte. Er wollte seine Welt nun
einmal in Sicherheit wissen, und dies war an mein Wohl geknüpft.
Als wir an meiner Wohnung ankamen,
riss Josh bereits die Tür auf. Ich schaute ihn nur kurz an. Er sah wie immer
gut aus, was meinem Herzen einen Stich versetzte. Aber er wirkte auch beunruhigt
und ein wenig ängstlich. Doch da er sehr wahrscheinlich eh kein Interesse an
meiner Nachfrage, ob es ihm gut ginge, hatte, lief ich an ihm vorbei.
Schnurstraks bewegte ich mich in die Küche. Hinter mir hörte ich, wie
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