Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Welt in mir (German Edition)

Die Welt in mir (German Edition)

Titel: Die Welt in mir (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Neuberger
Vom Netzwerk:
alles
dunkel. Ich habe bereits verzweifelt versucht, mich zu erinnern.“
    Offensichtlich auch über meine
zweite Antwort enttäuscht, klappte er seinen Block zu, steckte ihn in die
Innentasche seiner Jacke und schaute mich zur Verabschiedung noch einmal an.
Bevor ich „auf Wiedersehen“ sagen konnte, war er schon in Eile aus dem Zimmer
gestürzt, um kurz darauf wieder den Kopf durch die Tür zu stecken.
    „Ach, wenn Ihnen noch etwas
einfällt, rufen Sie mich an.“ Und weg war er wieder.
    Zugegeben, ich hatte nicht die
ganze Wahrheit gesagt. Aber was sollte ich schon erzählen? Dass mir zwei Retter
zur Hilfe geeilt waren, die so unterschiedlich gewesen waren und in mir ein
Gefühlschaos ausgelöst hatten, welches mich so schwindelig machte, dass ich
ohnmächtig wurde und erst Stunden später mein Bewusstsein wieder erlangte? Das klang
selbst in meinen Ohren total bekloppt. Diese Geschichte hätte mir
höchstwahrscheinlich nur meine Freundin Jaqui geglaubt. Alle anderen hätten
mich für verrückt gehalten und ganz sicher, dass ich es nicht war, war ich mir,
ehrlich gesagt, auch nicht.
    Nach weiteren Tagen und
weiteren Tests im Krankenhaus konnten die Ärzte nicht feststellen, was dazu
führte, dass ich bewusstlos wurde. Sie vermuteten, es sei der Schock über den
Angriff gewesen, der dafür sorgte, dass sich mein Bewusstsein kurzfristig abgeschaltet
hatte. Auch meine Erinnerungslücken schoben sie auf den Schock, den ich
erfahren haben musste.
    Während der Tage im Krankenhaus
wurde ich von meiner Mutter versorgt, als wäre ich schwerkrank. Obwohl ich
meinen Eltern versichert hatte, sie bräuchten sich keine Sorgen zu machen,
hörten sie nicht auf mich. Eine Mutter lässt es sich wohl nicht nehmen, zu ihrem
Kind zu eilen, wenn dieses krank ist. Aber ihre Fürsorge hatte auch deutlich
Vorteile. Zum einen bemutterte sie mich und brachte mir schmackhafteres Essen,
als es im Krankenhaus gab, zum anderen unterhielt sie mich auch. Ihr Besuch
entpuppte sich daher doch als eine willkommene Abwechslung. Natürlich löcherte
auch sie mich mit Fragen zu dem Abend, aber auch ihr gestand ich nicht, an was
ich mich erinnerte.
    Irgendwann ließ es meine Mutter
bei meiner Antwort mit dem Thema bewenden. Einmal meinte sie, traumatische
Erlebnisse würden aus dem Gedächtnis gelöscht werden, um den Geist und die
Seele zu schützen. Eine Erklärung, die mir nur recht war, um die weitere
Nachfrage, ob ich mich endlich erinnern könnte, zu beenden. Meine Mutter wollte
offenbar nicht schuld daran sein, wenn sich ein Trauma bei mir offenbarte.
    Auch meine Freundinnen
besuchten mich, versuchten, mich zu unterhalten, und füllten mein kleines
Krankenzimmer mit Blumen und Luftballons.
    Ich glaubte mittlerweile selbst
daran, dass sich mein Gehirn die Geschichte mit den zwei wunderschönen Rettern
ausgedacht hatte. Die beiden waren zu schön und wundervoll, um echt gewesen zu
sein. Der Starke und der Einfühlsame waren in ihren Rollen so perfekt, dass ich
sie mir ausgedacht haben musste.
    Dennoch nagte hin und wieder die
Frage an mir, wie ich hergekommen war und ob die beiden nicht doch real gewesen
waren, denn die Erinnerung an diese beiden war so gestochen scharf. Sie beschwor
derartige Gefühle in mir herauf, dass meine Fantasie schon Überstunden gemacht
haben müsste, um sie so lebendig zu erschaffen.
    Aber da ich nicht für verrückt
gehalten werden wollte, behielt ich meine Gedanken lieber für mich und gab
weiterhin vor, mich an nichts erinnern zu können. Obwohl meine Freundinnen,
ähnlich wie meine Mutter, beschwörend auf mich eingeredet hatten, als hätten
sie bemerkt, dass ich etwas verheimlichte, ließen sie es damit dabei bewenden.
    Auch der junge Polizist war
noch einmal vorbeigekommen und hakte nach.
    Meine Antwort blieb dieselbe.
    Außerdem erklärte er, dass
niemand gesehen habe, wie ich das Krankenhaus betreten hätte oder wer mich gebracht
hätte. Die Videokameras waren zu dem Zeitpunkt meiner Einlieferung außer
Betrieb. Offenbar ein kurzzeitiger, technischer Fehler. Er wirkte zwar, als
würde er diesen Zufall auch etwas merkwürdig finden, äußerte mir gegenüber jedoch
nichts.
    Auch wenn mir dies alles etwas
unheimlich vorkam und irgendwie zu meiner Vorstellung der zwei Retter passte, verschwendete
ich keinen weiteren Gedanken mehr daran. Denn zu einem Ergebnis wäre ich wohl
nie gelangt, auch wenn ich mir den Kopf noch so sehr darüber zerbrochen hätte.
    Nach ein paar Tagen im
Krankenhaus wurde ich entlassen, und

Weitere Kostenlose Bücher