Die Welt in mir (German Edition)
ich hatte mich selten zuvor so sehr auf
meine kleine Singlewohnung gefreut. Obwohl meine Freundinnen ein paar meiner
Sachen ins Krankenhaus gebracht hatten, damit ich mich umziehen, mir die Zähne
putzen, Haare kämmen und duschen konnte, war dies nicht dasselbe, wie wirklich
zu Hause zu sein. Als ich die Tür zu meiner Wohnung aufschloss, kam mir alles
so bekannt und geborgen vor, dass mir beinahe Tränen in die Augen stiegen. Eine
geradezu absurde Reaktion, denn ich war nur ein paar Tage fort gewesen, und
wirklich was passiert, war mir auch nicht. Dennoch war ich froh, wieder in
meinen vier Wänden zu sein. Sie waren genauso, wie ich sie verlassen hatte. Bis
auf die Post, die auf die Kommode gelegt worden war und das frische Obst, das
in der Schale auf dem Esstisch stand. Aber trotz dieser veränderten
Kleinigkeiten wirkte alles so, als hätte die Zeit stillgestanden. Meine zwei
Zimmer, randgefüllt mit meinen Sachen, kamen mir vor wie das Paradies. Meine
Wohnung war klein und anders als mein bisheriges Leben bunt. Randvoll − manche
würden es vielleicht als überladen bezeichnen − aber sehr gemütlich. Mein
oranges Sofa mit den zahlreichen bunt bestickten Kissen hatte bestimmt schon
bessere Zeiten gesehen, aber ich liebte es. Dazu gesellten sich kleine Schränke
und Kommoden, ein Schreibtisch, den ich nie nutzte und ein kleiner Esstisch,
auf dem immer irgendwas herumlag. An den Wänden hingen viele kleine
Bilderrahmen mit Drucken von Natur-, Blumen-, Vogel- und Schmetterlingsbildern.
Ein bunter Fleck in meinem so tristen Leben. Meine Küche war, anders als das
Wohnzimmer, weiß gehalten und wirkte, wie sie es war, unbenutzt. Mein
Schlafzimmer war hingegen wieder lebendig mit einem großen Bett, zahlreichen
Kissen und einem Schrank, an dessen Türen wiederum Bilder klebten. Im meinen
vier Wänden fühlte ich mich endlich geborgen und zuhause. Genau nach dieser
Normalität hatte ich mich gesehnt. Ein Ort, wo alles so war, wie ich es kannte
und mich nichts verwirrte. Das gab mir Sicherheit, dass alles wieder gut werden
würde und es ein böser, aber faszinierender Traum gewesen war.
Die
Zweifel in mir
Am
nächsten Tag sollte mich mein gewohnter Alltag vollständig zurückhaben. Ich
musste wieder zur Arbeit. Mein Chef war von meiner Zwangspause wenig begeistert
gewesen, musste sich aber damit abfinden. Immerhin konnte er nichts dagegen unternehmen,
wenn ein Mitarbeiter im Krankenhaus lag. Dennoch würde er morgen wahrscheinlich
mürrisch und noch ätzender sein, auch wenn dies kaum vorstellbar war. Aber
selbst diese wenig erquickliche Aussicht konnte mein „Endlich-Zuhausegefühl“ nicht
trüben. Überraschenderweise freute ich mich fast auf meine Arbeit. Hauptsache,
es war alles wieder beim Alten!
Deshalb wachte ich am nächsten
Morgen als der Wecker unaufhörlich piepste, gut gelaunt und motiviert auf.
Nachdem ich mich fertig gemacht, eine Tasse Kaffee getrunken und eine Banane
gegessen hatte, verließ ich meine Wohnung und machte mich in dem Strom der
zahlreichen Arbeitsbienen auf den Weg zur Arbeit. Meine gute Laune verflog aber
schnell und ein komisches Gefühl bereitete sich in mir aus. So, als würde mich
jemand beobachten, aber ich konnte niemanden wahrnehmen, als ich mich zu allen
Seiten umsah. Dennoch ließ mich dieses Gefühl nicht los.
Dabei machte es mir weder Angst
noch Sorge. Es war einfach da. Davon ließ ich mich nicht beirren und setzte
meinen Weg zur Arbeit fort. Sicherlich war dies nur ein Symptom des Erlebten.
Aber ich wollte mich davon nicht unterkriegen und mich von einem komischen
Gefühl aus der Bahn werfen lassen. Wahrscheinlich war Verfolgungswahn nach dem,
was mir passiert war, völlig normal. Jeder Therapeut hätte einem dies
bestätigen können und den Rat gegeben, dass einen dieses Gefühl nicht
beherrschen dürfe.
Als ich bei meiner Arbeit ankam,
konnte ich ein Lächeln nicht unterdrücken. In meinem ganzen Leben hatte ich
mich noch nie so auf meinen Arbeitsplatz gefreut. Die ersten Kollegen, denen
ich begegnete, begrüßten mich, erkundigten sich über mein Befinden und ich sagte
wahrheitsgemäß, dass es mir gut ging. Manche erkundigten sich auch, was genau
passiert sei und wollten alle Einzelheiten wissen. Eine Neugier, die sich vermutlich
auf Sensationsgeilheit berief. Nachdem sie von mir offenbar keine befriedigende
Antwort erhielten, ließen sie das Thema mit einem enttäuschten Gesichtsausdruck
schnell fallen. Obwohl mir so viel Aufmerksamkeit normalerweise
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