Die Welt in mir (German Edition)
waren,
streckte er die Hand nach mir aus.
Ich blieb abrupt stehen. Starr
vor Angst. Als ich schon dachte, dass er mir gleich etwas antun würde, hörte
ich, dass er mit mir sprach. „Alles okay mit Ihnen? Brauchen Sie Hilfe? Sie
sehen furchtbar aus.“
Erst, als ich begriff, dass
alles nur Einbildung war, ebbte meine Panik ab und reduzierte sich auf Unbehaglichkeit
und leichte Angst. „Nein, nein alles gut“, sagte ich und ging weiter. Ich merkte,
wie der Mann mir nachschaute, und der Verfolgungswahn kehrte zurück.
Bis ich bei dem Lokal für
unseren Mädelsabend ankam, war ich schweißgebadet und ich atmete trotz Angst,
die aber langsam abebbte, nachdem ich mein Ziel unbeschadet erreicht hatte, ein
paar Mal tief durch, um meinen Freundinnen nicht noch mehr Grund zur Besorgnis
zu geben. Immerhin hatten sie sich gut um mich gekümmert und ich wollte sie
nicht mit meinem Wahn behelligen. Ich würde bestimmt noch einige Zeit brauchen,
um den Vorfall zu verarbeiten. Bis dahin sollten zumindest meine Freundinnen
glauben, alles sei okay, auch wenn meine Angst mich gerade beinahe in den
Wahnsinn getrieben hatte. Sicherlich war dieses Treffen Auslöser für die
Erinnerung. Ich beschloss, den Abend zu genießen und wappnete mich darauf, dass
der Rückweg wahrscheinlich ebenso furchtbar werden würde. Aber darüber würde
ich mir später Gedanken machen.
Als ich das Lokal betrat,
entdeckte ich meine drei Freundinnen an einem Tisch hinten in der Ecke. Sie
unterhielten sich bereits angeregt. Erst als Sarah mich bemerkte, beendeten sie
ihr Gespräch und schauten mich mit großen Augen an.
Ich atmete noch einmal durch,
lächelte und bewegte mich auf den Tisch zu. Noch bevor ich mich hingesetzt und
der Kellner meine Bestellung aufgenommen hatte, fragte Franzi, wie es mir ginge. Woraufhin mich alle erwartungsvoll
anstarrten. Ihre besorgten Gesichter machten mir deutlich, dass ich ihnen die
Panikattacke von eben lieber verschweigen sollte. „Mir geht es gut. Ihr müsst euch
wirklich keine Sorgen machen. Klar, erschreckt das, was mir passiert ist, aber
ich hab es überlebt. Mir geht es gut!“, versicherte ich und lächelte, um meinen
Worten Nachdruck zu verleihen. Entgegen meiner Hoffnung, das Thema würde damit
ein Ende finden, hakte Franzi nach.
„Hat die Polizei irgendetwas
rausgefunden? Ich meine, es muss doch Zeugen geben. Ich verstehe nicht, warum
niemand etwas gesehen hat. Weder vom Überfall noch davon, wie du ins
Krankenhaus gekommen bist.“
Ich zuckte nur mit den
Schultern und erklärte, nichts mehr von der Polizei gehört zu haben.
„Vielleicht bist du selbst ins
Krankenhaus gegangen“, Jaqui löste mit ihren Worten bei uns nur allgemeines
Stirnrunzeln aus. Offenbar erkannte meine Freundin, dass wir mit ihrer Theorie
nichts anfangen konnten. „Ich meine, es soll doch Fälle gegeben haben, wo Leute
einfach ganz instinktiv gehalten haben und sich später nicht mehr erinnern
konnten. Vielleicht war das bei dir auch der Fall, dass du ins Krankenhaus
gegangen bist, um deine Wunde am Hals versorgen zu lassen, und als du da warst,
hat dein Körper das Bewusstsein abgeschaltet, um zu heilen.“ Mit großen Augen
schaute sie uns an und ich wusste, dass weder ich noch meine anderen Freundin
an ihre Theorie glaubten.
Doch um sie nicht zu verletzen,
erklärte ihr Sarah, dies sei zwar höchst unwahrscheinlich, aber man könne letztendlich
nicht das Gegenteil beweisen. Dabei war ich mir nicht sicher, ob ein echter
Arzt nicht diagnostizieren könnte, dass diese Theorie schwachsinnig sei. Aber
irgendwie musste ich auch über meine Freundin lächeln, weil sie einfach so viel
Glauben in sich trug und sich davon auch nicht abhalten ließ, auch wenn die
Mehrheit der Leute sie als verrückt und abergläubisch abstempelte.
Zum Glück ließen die drei das
Thema nach Jaquis Theorie damit bewenden. Vielleicht aus Sorge, dass Jaqui noch
weitere Ideen auf Lager hatte, die höflich angenommen und beantwortet werden
müssten. Woran es auch immer lag, ich war dankbar, dass ich nicht mehr darüber
nachdenken musste und stattdessen meinen Freundinnen und ihren Geschichten
lauschen durfte.
Es wurde doch ein netter Abend.
Erstmals musste ich nicht ständig an den Vorfall und an meine Retter denken.
Die Frage, ob ich mir dies alles nur eingebildet hatte, war weit in meinen
Hinterkopf gerückt. So frei und normal hatte ich mich schon lange nicht gefühlt,
und ich merkte, wie sich mein ganzer Körper entspannte.
Als Sarah gerade die
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