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Die Welt ist nicht immer Freitag

Titel: Die Welt ist nicht immer Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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sagen, Geschichte wiederholt sich nicht. Aber zumindest will ich nicht verhungern. Greife meine Tasche und schlage mich zum Speisewagen durch. Während ich auf einen freien Platz warte, schreibe ich auf dem Boden hockend meine Geschichte weiter. Sie nimmt einen eigenartigen Verlauf. Mittlerweile sind meinem Helden die Setzlinge der Pflanze gestohlen worden, sein Garten wurde umgegraben, sein Haus gebrandschatzt. Nach nur zwei Stunden wird kurz hinter Frankfurt ein Platz im Speisewagen frei. Wenn ich alle halbe Stunde einen Kaffee bestelle, sichert mir das das Bleiberecht und kostet mich bis Berlin 30 Mark, teure Platzkarte, aber es wäre mir immer noch besser ergangen als Napoleon. Allerdings sitzen an meinem Tisch schon Blücher und Wellington. In unserem Jahrhundert heißen sie Herr Fringer und Dr. Maismann. Offensichtlich macht der eine in Kosmetika, der andere in Textilien. Das wissen mittlerweile alle hier, denn sie quatschen unaufhörlich in ihre Handys:
    - Ja, Fringer hier, na der Fringer, von Fringer und Fringer, ich bin jetzt kurz hinter Frankfurt, sagen Sie dem Herrn Protzner, er soll mich zurückrufen, damit wir uns in Berlin gleich treffen können. Die Sache ist sehr wichtig. Meine Nummer ist 0173-4424453, Fringer, sehr wichtig!!!
    Der Protagonist meiner Geschichte findet derweil heraus, daß die Kosmetik- und Textilindustrie für sein Unglück verantwortlich ist.
    Zwischen Dr. Maismann und Herrn Fringer ist längst ein Wettstreit entbrannt, wessen Geschäfte bedeutender sind, also brüllen sie immer lauter in ihre Taschentelefone, damit auch jeder im Wagen ganz sicher von ihrer immensen Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland, ach was sag ich, Europa unterrichtet ist. Dabei versuchen sie sich verzweifelt zu übertreffen. Die sehr wichtigen Geschäfte werden: extrem wichtig, außerordentlich wichtig, unerhört wichtig, elementar, zukunftsweisend, volkswirtschaftlich entscheidend, es geht um Leben und Tod.
    Leider scheint sich Herr Protzner der Bedeutung dieser Geschäfte nicht bewußt zu sein, denn er ruft einfach nicht zurück, weshalb Herr Fringer allein ihn innerhalb einer Stunde genau 18mal zu erreichen versucht.
    Beim 19ten Versuch bricht der Held meiner Geschichte in einen Waffenladen ein und deckt sich mit Schußwaffen aller Art ein.
    In Hildesheim steigt Dr. Maismann aus. Offensichtlich hat er verloren und muß zur Strafe in Hildesheim bleiben. Euphorisiert von diesem Erfolg brüllt Fringer nach Hannover nochmal doppelt so laut in sein elektronisches Zepter. Das und die beträchtlichen Kaffeemengen in meinem Körper führen dazu, daß sich mein Held nun eine Kalaschnikow greift und wild um sich schießend einen Amoklauf durch Berlin startet. So kann es nicht weitergehn. Ich muß etwas unternehmen.
    Gehe einen Waggon weiter zum Kartentelefon und wähle Fringers mir mittlerweile hinlänglich bekannte Handynummer:
    - Ja, hier ist Protzner, hörn sie zu Fringer, ich bin im Moment gar nicht in Berlin, ich bin im Moment etwas nördlich von Braunschweig bei der Jagd, trotzdem sollten wir uns aber unbedingt treffen, Sie wissen ja selbst, wie wichtig diese Sache ist. Steigen Sie also in Braunschweig aus, nehmen Sie sich ein Taxi zur nördlichen Stadtgrenze und laufen dann einfach gerade in den Wald hinein. Dann kommen Sie direkt auf mich zu, können Se gar nicht verfehlen!!!
    Als ich zurückkomme, kramt Fringer schon hektisch seine Sachen zusammen. Er will noch einen Anruf machen, aber der Akku seines Handys ist leer. Überlege kurz, ob ich ihn dann nicht aufklären sollte, komme aber zu dem Schluß, daß es Herrn Fringer sicher mal ganz gut tut, eine Weile durch den Wald zu laufen. Ich verabschiede ihn: »Bleiben Sie stark, Herr Fringer, wir alle verlassen uns auf Sie.« Er nickt wissend und hastet dann zum Ausgang.
    Endlich Ruhe, Wunderbar. Und ich kann meine Geschichte zu Ende schreiben. Schnell stellt sich heraus, daß zufällig alle Menschen, die mein Protagonist erschossen hat, skrupellose, von Außerirdischen gesteuerte Textil- und Kosmetikhändler waren, die die Weltherrschaft erringen und die Menschheit versklaven wollten. Mein Hauptakteur wird als Retter gefeiert, seine Pflanze flächendeckend angebaut und schnell das Ozonloch geschlossen. Alles ist nochmal gutgegangen, und sogar den ganzen Kaffee hat mir der Mitropa-Kellner, nachdem er zufällig mein Gespräch am Kartentelefon mitgehört hatte, am Ende spendiert. Netter Zug.
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