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Die Welt ist nicht immer Freitag

Titel: Die Welt ist nicht immer Freitag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Evers
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Gepäck und kämpfe mich weiter. Finde mich erstaunlich zäh. Bei Kilometer 4 sehe ich, wie ungefähr 200 Meter vor mir doch mal eine Steinrutsche niedergeht. Renne so schnell ich noch kann dorthin, aber als ich am Steinschlag ankomme, ist schon wieder alles vorbei. Toll, jetzt fängt der Berg auch noch an, mich zu verarschen, Spielchen zu spielen. Kilometer 8. Bin jetzt seit fünfeinhalb Stunden unterwegs, mittlerweile 17mal zusammengebrochen und habe längst mein gesamtes Gepäck auf den Berg verteilt. Die Geräusche des Berges, der Wind in den Bäumen, klingt wie ein dauerndes Gekicher des Berges über mich. Habe das Gefühl, er nimmt mich als Gegner gar nicht mehr ernst. Sehe am Boden liegend, wie der Wanderweg in einer Schleife von ca. 4 Kilometern zu einem Zwischengipfel führt. Den kann ich auch auf einem allerdings sehr, sehr steilen direkten Weg von nur rund 500 Metern erreichen. Fasse einen letzten schwachsinnigen Entschluß. Rutsche nach gut zwei Dritteln des direkten, steilen Weges weg, scheppere ungefähr 20 Meter den Berg runter und bleibe dann wehr- und lustlos in einem Baumwipfel hängen. Das Pfeifen des Windes wird stärker, klingt, als wenn sich der Berg jetzt vor Lachen gar nicht mehr einkriegt.
    Eine Stunde später befreit mich die Bergwacht bei ihrer routinemäßigen Abendtour aus dem Baum. Ich lüge: Da war ne Katze im Baum, die wollt ich retten. Der Mann von der Bergwacht lächelt, er hört diese Geschichte offensichtlich nicht zum erstenmal. Dann bringt er mich zur Alp von Jutta und Thomas. Mein Gepäck hat er auch schon wieder eingesammelt, denn als er mich schwerbepackt in Haldenstein hatte stehen sehen, seien ihm die Normpunkte, wo ich zusammenbrechen und Ballast zurücklassen würde, sofort klargewesen. 500 Meter vor der Almhütte setzt er mich ab, um mir die Peinlichkeit vor Jutta und Thomas zu ersparen. Ein netter Mann.
    Jutta und Thomas begrüßen mich voll Freude, ich will irgendwas sagen, wie: »Hallo«, schlafe aber leider vorher ein. Die beiden tragen mich zu meinem Heubett, wo ich den Rest der Nacht in komatösem Schlaf verharre.
    Am nächsten Morgen um halb sechs wecken sie mich. Die Kühe müssen von den Bergwiesen zum Melken geholt werden. Sie fragen, ob ich mithelfen will. Ich bin zu müde, um nein sagen zu können und schlurfe ihnen hinterher. Es ist neblig im Berg. Sehr neblig. So neblig, wie ich es noch nie neblig gesehn hab, was egal ist, weil man in diesem Nebel sowieso nichts sieht. Thomas schickt mich einen Hang hoch, Kühe suchen. Laufe ein paar hundert Meter den Hang hoch und suche in dichtem weißem Nebel nach Kühen mit hellem, fast weißem Fell. Finde keine Kühe. Suche weiter. Nach zwei Stunden komme ich zu dem Entschluß, daß ich mich verlaufen habe. Suche jetzt die Almhütte. Finde auch keine Almhütte. Stolpere über eine Kuh. Die könnte ich jetzt eigentlich zur Almhütte treiben, wenn ich nur wüßte, wo die Almhütte ist. Das Leben und alles wird plötzlich sinnlos. Ob es hier wohl Lawinen gibt? Bekomme kurz vor der endgültigen Verzweiflung die reitende Idee. Laufe ein ganzes Stück den Berg runter, bis zu dem Baum von gestern. Springe da wieder rein und warte, bis mich die Bergwacht am Abend abholt und zur Hütte zurückbringt. Das ist clever.
    Frage den netten Mann von der Bergwacht, ob er gute Stellen für Lawinen kennt. Er lächelt und rammt mir seine Faust in die Schulter. Ich will gerade mit dem Verärgertsein anfangen, da erklärt er mir, dieser Schlag gibt nur ne Prellung. Ich soll einfach sagen, ich sei den Berg runtergefallen und verletzt. So könnte ich mein Gesicht wahren und bräuchte den Rest der Woche nur noch Küchendienst machen. Mensch, diese Schweizer, die wissen eben doch am besten, wie man in den Bergen überleben kann.
Als Deutscher auf Reisen
    Grundsätzlich habe ich gar nichts gegen das Verreisen. Nein, ich fahre eigentlich sogar ganz gern ins Ausland. Auch wenn es nicht immer leicht für mich ist, also für mich als Deutschen.
    Für meine Generation war es nie ganz einfach, sich im Ausland als Deutsche zu erkennen zu geben. Die meisten Bewohner des benachbarten Auslands rümpfen doch die Nase, wenn man zugibt, Deutscher zu sein, und wenn man doch mal von jemandem mit offenen Armen überschwenglich freudig begrüßt wird, muß man immer befürchten, daß derjenige vermutlich ein Faschist ist.
    In meiner Jugend war mir das immer peinlich, weshalb ich im Ausland regelmäßig behauptet habe, ich sei Schwede. Zwar kann ich kein

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