Die Welt ist nicht immer Freitag
nicht mehr. Die erste Woche habe ich einfach auf dem Sofa geschlafen, dann wegen schlimmer Verknorzungen beschlossen, daß jetzt mal was passieren müsse, mir eine neue Matratze besorgt und sie unter das Hochbett gelegt. Ich frage mich oft, wie es jetzt nach all der Zeit wohl oben auf dem Hochbett aussieht? Mensch, da leben wir eingangs des dritten Jahrtausends, die Welt wird immer kleiner, in jede Ecke der Erde kann man immer schneller reisen, aber auf mein Hochbett gibt's kein Hinkommen. Verrückte Welt. Für die Reparatur der Leiter brauchte ich wenigstens drei Stunden. In der Zeit wäre man mit der neuen ICE-Strecke auch locker in Hannover. Das steht doch in keinem Verhältnis. Abgesehen davon, daß es in Hannover in etwa genausoviel zu sehen und zu erleben gibt, wie auf meinem Hochbett, kenne ich dieses Phänomen des Verlustes naher Räume bislang nur von meinen Kellern. In den drei Wohnungen mit Keller, die ich bewohnt habe, funktionierte das immer nach dem gleichen Prinzip. In den ersten drei/vier Monaten habe ich noch fleißig alles Gerumpel, Müll oder Pappkartons in den Keller getragen, bis er irgendwann voll war, von dem Moment an habe ich ihn nie wieder betreten. Das heißt, halt, in der Wohnung im Wedding habe ich es mal versucht. Dort bin ich vor meinem Haus eine halbe Stunde auf und ab gelaufen und hab die ganze Zeit laut vor mich hin geredet:
»Mensch, jetzt hab ich doch glatt vergessen, meinen Keller abzuschließen, und ich muß doch gleich los, oje, oje, mit all dem wertvollen Zeug dadrin, Kerl, Kerl, Kerl, und dann ist das auch noch gleich, wenn man reinkommt, der zweite Keller links, herrje, den findet doch jeder, oh Gott, oh Gott, oh Gott, na hoffentlich kommt da nix weg. Mann, mann, mann!«
Dann habe ich mich zwei Stunden in ein Cafe gesetzt und abgewartet. Aber als ich zurückkam, hing nur ein Zettel: »Verarschen kann ich mich selber!« am Keller. Von meinem Zeug fehlte nix, im Gegenteil, ich weiß nicht wie, aber irgendwie hat irgend jemand noch drei weitere Müllsäcke und zwei Gerümpelkartons in den Keller gekriegt.
Seitdem schließe ich meinen vollgestellten Keller ab. Ich kann damit leben.
Wenn bei meinem nächsten Umzug der ganze Kellerinhalt wieder ans Tageslicht kommt, ist das eigentlich auch früh genug. Selbst im dritten Jahrtausend, wo man mit einem Mausklick auf jede Ecke der Erde gucken kann, sollte es doch vielleicht noch ein paar Geheimnisse und unerforschte Gegenden geben. Meinen Keller und mein Hochbett zum Beispiel.
Leben zur Jahrtausendwende 4
(Umzugkartons)
Im Flur meiner Wohnung stehen noch immer 10 nicht ausgepackte Umzugkartons.
Der Umzug war irgendwann Anfang letzten Jahres. Warum ich diese letzten 10 Kartons immer noch nicht ausgepackt habe, weiß ich nicht. Hat sich irgendwie nicht ergeben. Dabei habe ich die anderen 93 Kartons in den ersten drei Wochen nach dem Umzug direkt, ziemlich schnell und gewissenhaft ausgepackt. Aber dann…
Vermutlich bin ich irgendwie abgelenkt worden, Telefon oder so…, und hab danach dann versehentlich schon mit dem Wohnen angefangen. Ja, und wie's denn so ist, wenn man erstmal mit dem eigentlichen Wohnen angefangen hat, packt man die letzten Kartons nie mehr aus. Was in diesen Kartons drin ist, weiß ich nicht. Beschriftet sind sie mit »Kram 24« bis »Kram 33«. Wird wohl nicht so wichtig sein.
Aber ich bin fest entschlossen, bei meinem nächsten Umzug in jeden Karton unten ein kleines Geschenk oder 10 Mark reinzulegen. Ich denke, nur so ist wirklich gewährleistet, daß dann in der neuen Wohnung auch mal alle Kartons ausgepackt werden. Beim Thema Abwasch hat das ja schließlich auch prima geklappt.
Um die ständig anfallenden riesigen Berge dreckigen Geschirrs in der Spüle zu vermeiden, habe ich eine Liste mit den ganzen Zahlen, die ich ständig brauche, aber mir einfach nicht merken kann, EC-Geheimzahl, Telefonbanking, Kontonummer, Passwörter, Taxiruf, Hochzeitstag meiner Eltern und so weiter und so fort absolut wasserdicht verpackt und in die Spüle geklebt, damit ich immer, wenn ich eine dieser Zahlen brauche, auch gleich abwasche. Mit großem Erfolg. Zwar steht die Spüle auch heute noch ständig genauso voll wie früher, aber mittlerweile kann ich alle diese Zahlen auswendig.
Leben zur Jahrtausendwende 5
(Das Paket)
Kurz nach zehn. Sitze zu Hause und warte auf Peter. Habe extra ein Klingelzeichen mit ihm ausgemacht, da ich möglichst niemand anderem öffnen möchte. Aus gutem Grund.
Vor gut zwei Wochen klingelte
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