Die Welt ist nicht immer Freitag
dreimal anruft und Dinge fragt wie, ob ich auch ordentlich esse. Nur im Sommer hatte ich Glück, da wurde ich von einer gefährlichen, skrupellosen, grobschlächtigen Jugendbande ausgeraubt und ihr Anführer, der ganz besonders gefährlich, skrupellos und grobschlächtig war, nahm mir auch das Handy weg.
Zwei Tage später stand er heulend, verwirrt und sehr höflich vor meiner Haustür und hat mir das Handy zurückgegeben, aber erst nachdem ich ihm versprochen hatte, daß ich sofort meine Mutter anrufe und ihr sage, daß er nun mit dem Rauchen aufgehört hat und im September eine Lehre beginnt.
Die Vorteile des Alters
Es ist still geworden in der Wohnung. Nachdem nacheinander in wenigen Tagen das Faxgerät, der Computer, die Stereoanlage und der Fernseher ausgefallen sind, fühle ich mich ein Stück weit von der Welt abgeschnitten. Bemühe mich trotzdem, daß der Kontakt mit der Außenwelt nicht völlig abreißt. Habe deshalb in den letzten Tagen wieder vermehrt die alte Kunst des aus dem Fensterguckens entdeckt. Obwohl, so richtig viel kriegt man da ja auch nich mit, erst recht nicht, wenn das so diesig ist wie heute. Sehe wie der alte Mann im Fenster des Seniorenheims gegenüber Buchstaben aus einer Zeitung ausschneidet.
Na, dem muß ja auch ganz schön langweilig sein.
Frage mich, was mir das Schicksal mit dem fast völligen Ausschluß aus unserer Kommunikationsgesellschaft sagen will?
Vielleicht sowas wie: »Na Horst, alte Schabracke, nich viel los, wa? Tja, so schnell kann das gehn. Nu geh mal schön in dich du, was da alles so is, red mal wieder'n bißchen mit dir selbst. Jaa, hör nicht mehr auf die Stimmen von draußen, das ist alles Teufelswerk, du trägst die Wahrheit in dir, vergiß die Lügen der Scheinwelt da draußen, finde die Antworten in dir und befreie deinen Geist.«
Ist das Schicksal bekloppt geworden, oder hat es einfach nur einen fiesen Charakter? Überlege, ob ich mich jetzt nicht umbringen sollte, lasse es aber aus Angst, mein ganzes bisheriges Leben könnte dann nochmal vor meinem inneren Auge vorüberziehen.
Mache statt dessen das Radio meines Nachbarn an. Seit ich auf meiner »one for alI«-Universal-Fernbedienung in einen Speicherplatz die Sony-Kompakt-Anlage meines Nachbarn einprogrammiert habe, kann ich sie so, wenn ich mich ein bißchen aus dem Fenster lehne, ganz gut von meiner Wohnung aus bedienen.
Kann dadurch, sobald er zur Arbeit gegangen ist, zumindest tagsüber wieder ein bißchen Radio hören. Wenn ich die Anlage auf volle Lautstärke stelle, krieg ich eigentlich alles ganz gut mit. Allerdings ist mein Nachbar seit kurzem in unserem Haus nicht mehr sehr beliebt.
Leider läuft ein Gespräch mit Studiogast. Ein Herr Fringer, der Anti-Streß-Seminare veranstaltet, in denen er mit den Teilnehmern tagelang durch die weite Landschaft Niedersachsens wandert. Er wirkt sehr ruhig und ausgeglichen.
So ruhig und ausgeglichen wäre ich auch gern gewesen, als ich im Mediamarkt am Serviceschalter mein Faxgerät abgeben wollte und ewig warten mußte, weil irgendein Rentner nicht einsehen wollte, daß er den Garantieanspruch auf seinen Weltempfänger verliert, wenn er da selbst schon dran rumgeschraubt hat. Nachdem ich mich dann eine halbe Stunde auf die Kundentoilette zurückgezogen hatte, um sämtliche Spuren meiner Einwirkungen auf mein Faxgerät zu beseitigen, war er weg.
Das Telefon klingelt. Wenigstens das ist mir geblieben. Ich gehe ran.
- Guten Tag. Prota-Meinungsforschungsinstitut.
- Oh nee.
- Bitte?
- Ach nix.
- Wir führen zur Zeit eine Umfrage unter Männern zwischen 16 und 61 Jahren durch. Gehören Sie zu dieser Altersgruppe?
- Brrrh. Oh nee, bin ich gerade knapp drüber. Oh, das tut mir leid.
- Ach macht nix, wir haben auch eine Umfrage für über 60jährige. Dauert nur 5 Minuten.
- Ach so.
Beantworte ihr eine halbe Stunde lang Fragen zu privaten Treppenliften. Is interessanter, als ich dachte. Sie verspricht mir, mir einen Katalog zuzuschicken. Überlege, wo ich, wenn ich so einen Lifter kaufe, eine Treppe herkriegen könnte. Die großen Kosten kommen immer erst hinterher.
Fühle mich auf einmal sehr alt. Das letzte Mal, daß ich mich so alt gefühlt habe, war kürzlich beim Hosenkauf, als mir eine Fachverkäuferin eine Hose anpries mit den Worten, diese Hose habe einen gewissen jugendlichen Schick, den ich aber noch ohne weiteres tragen könne.
Im Radio sind mittlerweile Nachrichten. Ein Senatssprecher macht sich Sorgen, weil die Alterspyramide immer mehr
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