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Die Welt von Gestern

Die Welt von Gestern

Titel: Die Welt von Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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meinem persönlichen Leben war das Bemerkenswerteste, daß in jenen Jahren ein Gast in mein Haus kam und sich dort wohlwollend niederließ, ein Gast, den ich nie erwartet hatte – der Erfolg. Es ist mir begreiflicherweise nicht sehr behaglich, des äußeren Erfolgs meiner Bücher Erwähnung zu tun, und in einer normalen Situation hätte ich auch den flüchtigsten Hinweis unterlassen, der als Selbstgefälligkeit oder Prahlerei gedeutet werden könnte. Aber ich habe ein besonderes Recht und bin sogar gezwungen, diese Tatsache in der Geschichte meines Lebens nicht zu verschweigen, denn dieser Erfolg ist seit sieben Jahren, seit Hitlers Ankunft ein historischer geworden. Von den Hunderttausenden und sogar Millionen meiner Bücher, die im Buchhandel und unzähligen Häusern ihre sichere Stätte hatten, ist heute in Deutschland kein einziges mehr erhältlich; wer noch ein Exemplar besitzt, hält es sorgfältig verborgen, und in den öffentlichen Bibliotheken bleiben sie im sogenannten ›Giftschrank‹ versteckt für die wenigen, die sie mit besonderer Erlaubnis der Behörden – meistens zu Beschimpfungszwecken – ›wissenschaftlich‹ benützen wollen. Von den Lesern, von den Freunden, die mir schrieben, wagt längst
keiner mehr meinen geächteten Namen auf einen Briefumschlag zu setzen. Und nicht genug an dem: auch in Frankreich, in Italien, in all den zur Zeit geknechteten Ländern, in denen meine Bücher in Übertragungen zu den gelesensten gehörten, ist heute gleichfalls auf Hitlers Befehl der Bann verhängt. Ich bin heute als Schriftsteller, wie unser Grillparzer sagte, einer, der ›lebend hinter seiner eigenen Leiche geht‹; alles oder fast alles, was ich in vierzig Jahren international aufbaute, hat diese eine Faust zertrümmert. So spreche ich, wenn ich meinen ›Erfolg‹ erwähne, nicht von etwas, das zu mir gehört, sondern das einstmals zu mir gehörte wie mein Haus, meine Heimat, meine Selbstsicherheit, meine Freiheit, meine Unbefangenheit; ich könnte also den Absturz, den ich – mit unzähligen andern und ebenso Schuldlosen – später erlitten, nicht in seiner ganzen Tiefe und Totalität anschaulich machen, wenn ich nicht zuvor die Höhe zeigte, von der er erfolgte, und nicht auch die Einmaligkeit und Konsequenz dieser Ausrottung unserer ganzen literarischen Generation, für die ich eigentlich in der Geschichte kein zweites Beispiel weiß.
    Dieser Erfolg war mir nicht plötzlich ins Haus gestürmt; er kam langsam, behutsam, aber er blieb bis zur Stunde, da Hitler ihn mit der Peitsche seiner Dekrete von mir wegjagte, beharrlich und treu. Er steigerte seine Wirkung von Jahr zu Jahr. Gleich das erste Buch, das ich nach dem ›Jeremias‹ veröffentlichte, der erste Band meiner ›Baumeister der Welt‹, die Trilogie ›Drei Meister‹, brach mir Bahn; die Expressionisten, die Aktivisten, die Experimentisten hatten sich abgespielt, für die Geduldigen und Beharrlichen war der Weg zum Volke wieder frei. Meine Novellen ›Amok‹ und ›Brief einer Unbekannten‹ wurden populär wie sonst nur Romane, sie wurden dramatisiert, öffentlich rezitiert, verfilmt; ein kleines Büchlein ›Sternstunden der Menschheit‹ – in allen Schulen gelesen – brachte es
in kurzer Zeit in der ›Insel-Bücherei‹ auf 250 000 Exemplare. In wenigen Jahren hatte ich mir geschaffen, was nach meinem Empfinden für einen Autor die wertvollste Art eines Erfolges darstellt: eine Gemeinde, eine verläßliche Gruppe von Menschen, die jedes neue Buch erwartete, jedes neue Buch kaufte, die einem vertraute, und deren Vertrauen man nicht enttäuschen durfte. Allmählich wurde sie groß und größer; von jedem Buch, das ich veröffentlichte, waren in Deutschland am ersten Tage zwanzigtausend Exemplare verkauft, noch ehe eine einzige Anzeige in den Zeitungen erschienen war. Manchmal versuchte ich bewußt dem Erfolg auszuweichen, aber er folgte mir in überraschend zäher Weise nach. So hatte ich zu meinem privaten Vergnügen ein Buch geschrieben, die Biographie Fouchés; als ich es dem Verleger sandte, schrieb er mir, er gebe zehntausend Exemplare sofort in Druck. Ich beschwor ihn umgehend, nicht soviel von diesem Buch zu drucken. Fouché sei eine unsympathische Figur, das Buch enthalte keine einzige Frauenepisode und könne unmöglich einen größeren Kreis von Lesern heranziehen; er solle lieber zunächst nur fünftausend drucken. Nach einem Jahr waren fünfzigtausend Exemplare in Deutschland verkauft, im selben Deutschland, das

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