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Die Welt von Gestern

Die Welt von Gestern

Titel: Die Welt von Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Zustand möglichst unverändert zu erhalten.
    Damit will ich nicht sagen, daß ich mich meines Erfolges nicht freute. Im Gegenteil, er beglückte mich sehr, aber nur insoweit er sich auf das von mir abgelöste Produkt, meine Bücher und den damit verbundenen Schemen meines Namens beschränkte. Es war rührend, wenn man in Deutschland zufällig in einer Buchhandlung stand, zu sehen, wie ohne einen zu erkennen ein kleiner Gymnasiast eintrat, die ›Sternstunden‹ verlangte und von seinem mageren Taschengeld bezahlte. Es konnte die Eitelkeit angenehm reizen, wenn im Schlafwagen der Kondukteur den Paß nach Einsicht des Namens respektvoller entgegennahm oder ein italienischer Zollbeamter, erkenntlich für irgendein Buch, das er gelesen, auf die Durchwühlung des Gepäcks großmütig verzichtete. Auch das rein Quantitative der persönlichen Auswirkung hat für einen Autor etwas Verführerisches. Durch Zufall kam ich eines Tages nach Leipzig gerade an dem Tage, da die Auslieferung eines neuen Buches von mir begann. Es erregte mich merkwürdig, zu sehen, wieviel menschliche Arbeit man unbewußt in Schwung brachte mit dem, was man in drei oder vier Monaten auf dreihundert Seiten Papier geschrieben. Arbeiter verpackten Bücher in mächtige Kisten, andere schleppten sie stöhnend hinunter zu den
Lastautos, die sie zu den Waggons nach allen Richtungen der Welt brachten. Dutzende Mädchen schichteten in der Druckerei die Bogen, die Setzer, Binder, Verfrachter, Kommissionäre werkten von früh bis nachts, und man konnte sich ausrechnen, daß diese Bücher, zu Ziegeln gereiht, schon eine stattliche Straße aufbauen könnten. Auch das Materielle habe ich nie hochmütig verachtet. Ich hatte in den Jahren des Anfangs nie zu denken gewagt, je mit meinen Büchern Geld verdienen oder gar auf ihren Ertrag eine Existenz aufbauen zu können. Nun brachten sie plötzlich stattliche und immer steigende Summen, die mich für immer – wer konnte an unsere Zeiten denken? – jeder Sorge zu entheben schienen. Ich konnte großzügig der alten Leidenschaft meiner Jugend frönen, Autographen zu sammeln, und manche der schönsten, der kostbarsten dieser wunderbaren Reliquien fanden bei mir zärtlich behütete Unterkunft. Für die im höheren Sinne doch ziemlich ephemeren Werke, die ich geschrieben, konnte ich Handschriften unvergänglicher Werke erwerben, Handschriften von Mozart und Bach und Beethoven, Goethe und Balzac. So wäre es eine lächerliche Pose, wollte ich behaupten, daß der unerwartete äußere Erfolg mich gleichgültig oder gar innerlich ablehnend gefunden hätte.
    Aber ich bin ehrlich, wenn ich sage, daß ich mich des Erfolges nur freute, solange er sich auf meine Bücher und meinen literarischen Namen bezog, daß er mir aber eher lästig wurde, wenn sich Neugier auf meine physische Person übertrug. Von frühester Jugend an war nichts in mir stärker gewesen als der instinktive Wunsch, frei und unabhängig zu bleiben. Und ich spürte, daß bei jedem Menschen von seiner persönlichen Freiheit viel des Besten durch photographische Publizität gehemmt und verunstaltet wird. Außerdem drohte, was ich aus Neigung begonnen, die Form eines Berufs und sogar eines Betriebs an
zunehmen. Jede Post brachte Stöße von Briefen, Einladungen, Aufforderungen, Anfragen, die beantwortet werden wollten, und wenn ich einmal einen Monat wegreiste, dann gingen nachher immer zwei oder drei Tage verloren, um die aufgehäufte Masse wegzuschaufeln und den ›Betrieb‹ wieder in Ordnung zu bringen. Ohne es zu wollen, war ich durch die Marktgängigkeit meiner Bücher in eine Art Geschäft geraten, das Ordnung, Übersicht, Pünktlichkeit und Geschicklichkeit erforderte, um richtig erledigt zu werden – all dies sehr respektable Tugenden, die leider meiner Natur keineswegs entsprechen und das reine, unbefangene Sinnen und Träumen auf das gefährlichste zu stören drohten. Je mehr man darum von mir Teilnahme wollte, Vorlesungen, Erscheinen bei repräsentativen Anlässen, desto mehr zog ich mich zurück, und diese fast pathologische Scheu, mit meiner Person für meinen Namen einstehen zu sollen, habe ich nie überwinden können. Mich treibt es noch heute vollkommen instinktiv, in einem Saale, einem Konzert, einer Theateraufführung mich in die letzte, unauffälligste Reihe zu setzen, und nichts ist mir unerträglicher, als auf einem Podium oder sonst exponierten Platz mein Gesicht zur Schau zu stellen; Anonymität der Existenz in jeder Form ist mir Bedürfnis.

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