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Die Welt von Gestern

Die Welt von Gestern

Titel: Die Welt von Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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erinnere
mich, daß einmal, als ich besonders zufrieden von meiner Arbeit aufstand und meine Frau mir sagte, mir scheine heute etwas Außergewöhnliches geglückt zu sein, ich ihr stolz antwortete: »Ja, es ist mir gelungen, noch einen ganzen Absatz wegzustreichen und dadurch einen rapideren Übergang zu finden.« Wenn also manchmal an meinen Büchern das mitreißende Tempo gerühmt wird, so entstammt diese Eigenschaft keineswegs einer natürlichen Hitze oder inneren Erregtheit, sondern einzig jener systematischen Methode der ständigen Ausschaltung aller überflüssigen Pausen und Nebengeräusche, und wenn ich mir irgendeiner Art der Kunst bewußt bin, so ist es die Kunst des Verzichtenkönnens, denn ich klage nicht, wenn von tausend geschriebenen Seiten achthundert in den Papierkorb wandern und nur zweihundert als die durchgesiebte Essenz zurückbleiben. Wenn irgend etwas, so hat mir die strenge Disziplin, mich lieber auf engere Formen, aber immer auf das unbedingt Wesentliche zu beschränken, einigermaßen die Wirkung meiner Bücher erklärt, und es wurde wahrhaft beglückend für mich, dessen Gedanken von Anbeginn einzig auf das Europäische, auf das Übernationale gerichtet gewesen, daß sich nun auch aus dem Ausland Verleger meldeten, französische, bulgarische, armenische, portugiesische, argentinische, norwegische, lettische, finnische, chinesische. Bald mußte ich einen mächtigen Wandschrank kaufen, um alle die verschiedenen Exemplare der Übertragungen zu verstauen, und eines Tages las ich in der Statistik der ›Coopération Intellectuelle‹ des Genfer Völkerbundes, daß ich zur Zeit der meistübersetzte Autor der Welt sei (ich hielt es abermals meinem Temperament gemäß für eine Falschmeldung). Eines anderen Tags wiederum kam ein Brief des russischen Verlages, er möchte eine Gesamtausgabe meiner Werke in russischer Sprache veranstalten und ob ich einverstanden sei, daß Maxim Gorkij die Vorrede dazu
schreibe. Ob ich einverstanden sei? Ich hatte als Schuljunge die Novellen Gorkijs unter der Bank gelesen, ihn seit Jahren geliebt und bewundert. Aber nie hatte ich mir eingebildet, daß er je meinen Namen gehört habe, geschweige denn, daß er etwas von mir gelesen und schon gar nicht, daß es einem solchen Meister wichtig genug erscheinen konnte, zu meinem Werk eine Vorrede zu schreiben. Und wieder eines andern Tages erschien, mit einer Empfehlung versehen – als ob es einer solchen bedurft hätte – in meinem Hause in Salzburg ein amerikanischer Verleger mit dem Vorschlag, mein Werk im ganzen zu übernehmen und fortlaufend zu publizieren. Es war Benjamin Huebsch von der Viking Press, der mir seitdem der verläßlichste Freund und Berater geblieben und, da all dies andere von den Stulpenstiefeln Hitlers in Grund und Boden gestampft ist, mir eine letzte Heimat im Wort erhalten hat, da ich die alte, die eigentliche, die deutsche, die europäische verlor.

    Ein solcher äußerer Erfolg war gefährlich angetan, jemanden zu verwirren, der vordem mehr an seine gute Absicht als an sein Können und an die Wirksamkeit seiner Arbeit geglaubt hatte. An sich bedeutet jede Form der Publizität eine Störung im natürlichen Gleichgewicht eines Menschen. Im normalen Zustande ist der Name, den ein Mensch trägt, nicht mehr als was das Deckblatt für die Zigarre: eine Erkennungsmarke, ein äußeres, fast belangloses Objekt, das mit dem wirklichen Subjekt, dem eigentlichen Ich, nur lose verbunden ist. Im Falle eines Erfolges schwillt nun dieser Name gleichsam an. Er löst sich los von dem Menschen, der ihn trägt, und wird selbst eine Macht, eine Kraft, ein Ding an sich, ein Handelsartikel, ein Kapital, und innerlich wiederum im heftigen Rückstoß eine Kraft, die den Menschen, der ihn trägt, zu beeinflussen, zu dominieren, zu verwandeln beginnt. Glückliche, selbstbewußte Naturen
pflegen sich nun unbewußt mit der Wirkung, die sie ausüben, zu identifizieren. Ein Titel, eine Stellung, ein Orden und wie gar erst Publizität ihres Namens vermögen in ihnen eine höhere Sicherheit, ein gesteigertes Selbstgefühl zu erzeugen und sie zu dem Bewußtsein zu verleiten, ihnen käme besondere Wichtigkeit in der Gesellschaft, im Staate und in der Zeit zu, und sie blähen sich unwillkürlich auf, um mit ihrer Person das Volumen ihrer äußeren Wirkung zu erreichen. Aber wer von Natur aus mißtrauisch gegen sich selbst eingestellt ist, empfindet jede Art des äußeren Erfolges als Verpflichtung, sich gerade in diesem schwierigen

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