Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)
hatte, ihn zu besiegen. Für eine echte Herausforderung hätte Tom alles gegeben.
Rasch warf er einen Blick um sich. Er saß in einer Rinne fest, befand sich in einer absolut ungünstigen Lage. Die einzige Waffe in seiner Nähe war ein Ionen-Schwefel- Streugewehr, das im roten Staub lag. In der Ferne konnte er die anderen Schützengräben erkennen, und die Markierungen an ihren Seitenwänden verrieten ihm, dass in einem davon eine Ladung Granaten, in einem anderen C-29-Panzerabwehrraketen lagerten. Der Informationsblase zufolge, die nun am Rand seiner Datenbrille aufklappte, waren diese genau das Richtige, um den Panzer zu knacken. Aber wie konnte er dorthin gelangen, ohne dabei in die Luft gesprengt zu werden?
Eine weitere Explosion ließ den Boden in seiner Nähe erbeben, das Grollen seinen Körper vibrieren. Tom machte sich den purpurfarbenen Dunstschleier zunutze und warf sich auf die Ionen-Schwefel-Waffe. Er ergriff sie und ließ sich wieder in die Vertiefung fallen. Wenn man der neuen Informationsblase Glauben schenkte, war die Waffe ziemlich einfach zu handhaben. Sie war zwar zu schwach, um einen Panzer auszuschalten, aber sie konnte kleinere Explosionen auslösen, seine Umgebung mit einem Dunst erfüllen und für Ablenkung sorgen. Er musste sie abfeuern und den Dunstschleier als Schutz nutzen, um zu dem Erdloch mit den panzerbrechenden Waffen zu gelangen. Und dann?
Der Panzer näherte sich ruckelnd, und nun erkannte Tom den Fehler in seiner Logik: Wer immer dieser Gamer war, er musste sich darüber im Klaren sein, dass das Erdloch mit den C29 Toms sicherer Weg zum Sieg war. Wäre er selbst der Typ in dem Panzer, würde er auf den Schwefeldunst warten. Er würde darauf bauen. Er würde sich vorher die Koordinaten für das Erdloch mit den Panzerabwehrraketen geben lassen, ein paar Sekunden warten und dann eine Salve genau auf den Weg dorthin abgeben.
Nein, Tom durfte ihm nicht in die Hände spielen. Ein wenig trickreicher würde er schon sein müssen.
Also täuschte er einen fatalen Fehler vor. Er feuerte das Ionen-Schwefel-Streugewehr ab und erfüllte die Atmosphäre um den Panzer mit einer weißen Staubwolke.
Aber er rannte nicht in Richtung der Panzerabwehrraketen.
Stattdessen sprang er aus dem Graben heraus und sprintete direkt auf den Panzer zu. Nachdem er einen letzten Blick auf ihn erhascht hatte, um seine Geschwindigkeit und Position einzuschätzen, wandte er sich seitwärts, bevor das Kettenfahrzeug den Dunstschleier durchbrechen und ihn überrollen konnte. Das ohrenbetäubende, an ihm vorbeiziehende Rumpeln ließ den Boden immer stärker erbeben und warf seine Spielfigur um. Durch die Staubwolke hindurch sah Tom das nackte Metall und stürmte hinterher.
Er sprang vor, tastete nach einem Halt und zog sich hinten auf den Panzer hinauf. Nach einigen herumtastenden Griffen mit den Datenhandschuhen war Toms Figur oben auf dem Panzer, über der Luke. Das war nun sehr wohl etwas, was ein Ionen-Schwefel-Gewehr erledigen konnte. Er richtete es auf den Verschluss, sprengte ihn weg und riss die Luke auf, bevor der Typ im Innern auch nur ahnte, dass ihn sein Verderben von oben ereilen würde.
Mit einem siegessicheren Lachen ließ sich Tom durch die Luke fallen, bis seine Füße mit einem metallischen Klang auf dem Boden aufkamen. Er ging auf den zappelnden Körper zu. Der Mann trug keinen Raumanzug, war also nicht für die Marsatmosphäre ausgerüstet. Die dünnere Atmosphäre des Mars führte dazu, dass der in seinem Blut gelöste Stickstoff Blasen bildete und im Begriff war, eine tödliche Embolie auszulösen.
»Netter Versuch, Kumpel«, sagte Tom und rammte dem Kerl den Kolben seines Gewehrs immer wieder gegen den Kopf, bis er reglos liegen blieb.
Tom ließ das Gewehr fallen, setzte sich neben die Leiche und wartete auf den nächsten Level, hoffte, dass der eingedrungene Gamer nicht kniff und sich davonmachte.
Doch in diesem Moment veränderte sich der Körper. Tom sprang auf die Beine und sah fasziniert zu, wie aus dem Mann im Kampfanzug eine Frau wurde. Ein Mädchen.
Sie setzte sich auf, strich sich ihre dunkelblonden Haare aus dem Gesicht und bedachte ihn mit einem milden, faszinierten Lächeln. Tom starrte sie an, während sein Verstand Kapriolen schlug.
»Heather.« Mit einem Mal wurde ihm klar, dass sie der Eindringling war … Sie war es gewesen, die ihn in der Simulation herausgefordert hatte. Er fragte sich, ob der Schauer und die Erregung, die seinen Körper ergriffen, ein Zeichen
Weitere Kostenlose Bücher