Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)
verärgert, aber wir verschärften gerade den Wettlauf im All mit den Chinesen und mussten unsere Überlegenheit demonstrieren. Der Turm ist nicht bloß ein Gebäude, er ist der leistungsstärkste Sender in der westlichen Hemisphäre.«
»Was wird in dem alten Gebäude gemacht?«, fragte Tom, während vor seinem Fenster die Seitenruder hochklappten. Das Hybridflugzeug ging in den Helikopterbetrieb über, und ihre Geschwindigkeit wurde gedrosselt.
»In den verbleibenden drei Ringen sind traditionelle Militärs stationiert. Heutzutage würde man sie wohl eher als Ingenieurkorps bezeichnen. Nicht dass wir uns falsch verstehen, für den Fall, dass es zu Unruhen in der Bevölkerung oder zur Errichtung eines neuen Schurkenstaats kommt, haben wir durchaus Kampftruppen, aber die werden nie wirklich zum Einsatz kommen. Schade, denn ich gehörte seinerzeit selbst zur kämpfenden Truppe, und wir haben viel mehr unternommen als nur zu kämpfen. Wir haben Interpol dabei unterstützt, Kriminelle aufzuspüren, wir haben korrupte Regimes gestürzt, ja, wir haben sogar humanitäre Hilfe geleistet.«
»Sie sind Veteran?« Einem altgedienten Soldaten war Tom bislang noch nie begegnet. Als das Fluggerät sich dem Dach des alten Pentagons näherte, machte Toms Magen einen großen Satz. »Haben Sie auf Menschen geschossen?«
»Ich bin nicht diese Art V e teran. Ich war Pilot. Ich habe Truppen, die auf Menschen geschossen haben, in den Mittleren Osten und zurück geflogen, damals, als es in der Region zu Kämpfen kam – damals, als dort noch etwas existierte. Ob Sie es glauben oder nicht, Tom, als ich jung war, war Gewalt nicht auf einen kleinen Bereich begrenzt. Es gab immer mehrere Kriege gleichzeitig irgendwo auf der Welt, mit Gewehren und Bomben, Aufständen und allem, von dem Sie gelesen haben.«
Das Fluggerät setzte auf dem Hubschrauberlandeplatz auf. Tom und General Marsh lösten ihre Sicherheitsgurte und kletterten hinaus auf das Dach des alten Gebäudes, wo eine Reihe traditioneller Militärs strammstand. Marsh tauschte mit dem ranghöchsten Offizier Ehrenbezeugungen aus und blieb dann stocksteif stehen, damit seine Identität via Netzhautscan verifiziert werden konnte. Im Anschluss daran bedeutete er Tom, mit ihm den Aufzug zu betreten. Gemeinsam fuhren sie ins Erdgeschoss und traten in den Korridor, der das alte Pentagon mit dem Turm verband.
In dem Flur, der zum Turm führte, erwartete sie eine adrett gekleidete, dunkelhäutige Frau mit großen, leuchtenden Augen. Sie trat vor, als die beiden sie erreichten. »Thomas Raines, nehme ich an?«
Tom warf einen schnellen Blick auf General Marsh und wollte schon so salutieren, wie er es wenige Minuten zuvor bei ihm gesehen hatte.
General Marsh schüttelte den Kopf. »Nicht salutieren, Tom. Das ist Olivia Ossare. Sie ist Zivilistin.«
Die Frau strahlte ihn an. »Es ist mir ein Vergnügen, dich kennenzulernen, Tom. Der General hat recht. Ich bin Zivilist, so wie du auch. Als das Militär vor vier Jahren damit begann, Teenager für intrasolare Kampfeinsätze zu requirieren, hat der Verteidigungsausschuss des Kongresses, der die Operationen hier leitet, ein Dokument namens ›Staatliches Übereinkommen‹ verfasst.«
Tom folgte ihr in die ausgedehnte Eingangshalle des Turms, während General Marsh hinter ihnen zurückblieb. Der Eingang zum Turm war genauso atemberaubend wie das glitzernde Chrom an der Außenfassade. Von einer hohen Marmordecke schaute ein goldener Adler auf alle herab, die über die Türschwelle traten. An der Tür hing eine amerikanische Flagge, umringt von den Flaggen der derzeitigen Verbündeten des US -Militärs: Indien, Kanada, Großbritannien sowie diverse europäische und ozeanische Staaten.
Olivias Absätze klackerten über den Boden. »Die Gesetze über Kinderarbeit gelten auch für Rekruten. Obwohl du dich dem Militär anschließt, wirst du nur dann den gleichen Dienstgrad einnehmen wie traditionelle Soldaten, wenn du dich mit achtzehn neu verpflichtest. Einen formellen Rang wirst du bis dahin nicht innehaben. Das Militär ist zwar während deines Aufenthaltes hier dein gesetzmäßiger Vormund, doch laut Bundesgesetz ist dein rechtmäßiger Vormund nach wie vor dein Vater. Du gehst also nicht ins Eigentum des Militärs über.«
Toms Blick schweifte über eine Gruppe regulärer Soldaten, die in Formation an ihnen vorbeimarschierten. Olivia legte ihm eine Hand auf die Schulter, um ihn vorwärtszudrängen.
»Wie ich selbst, Tom, wirst auch du so
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