Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)
kam so etwas offenbar alle paar Monate vor. Keiner der indo-amerikanischen Auszubildenden verstand es zu hacken, daher gab es keine Revanche. Aufgrund privater Geschäftsvereinbarungen mit LM Lymer Fleet, dem Hersteller der russisch-chinesischen Neuronalprozessoren, konnten die Softwareberater von Obsidian Corp. auch keine Quellcodes für Gegenangriffe schreiben. Dies gehörte zu den Dingen, die sich änderten, als Blackburn ins Boot kam. Beim ersten Versuch eines feindlichen Einfalls in seiner Dienstzeit sendete er ihnen seinerseits etwas zurück. Was das war, wusste kein Mensch. Außerdem rüstete er die Firewall auf. Danach hatten die feindlichen Einfälle aufgehört – bis jetzt. Vielleicht hatte der russisch-chinesische Sieg bei Neptun sie ermutigt, es noch einmal zu versuchen.
»Es muss doch eine Möglichkeit geben, dieses Programm zu beenden«, beharrte Elliot, während er nach wie vor mit dem Arm die Befehlsgeste ausführte.
Doch Tom wollte gar nicht, dass es endete. Er blickte starr hinunter auf das Feld, wohl wissend, dass dies keine virtuellen Gegner waren. Es waren echte Feinde. Feinde, die sich an dem Programm zu schaffen gemacht hatten, um es so real wie nur möglich zu gestalten. Sie hatten ihre Schmerzempfindung hochgefahren und ihnen den Rückweg versperrt.
Wenn hier russisch-chinesische Kombattanten waren …
Dann konnte auch Medusa hier sein .
Der größte Krieger der ganzen Welt konnte sich in der gleichen Simulation aufhalten wie Tom. Direkt in greifbarer Nähe. Und er stand bloß hier herum, eine nutzlose Schildwache, von der Schlacht abgezogen.
»Ja! Jetzt bekomme ich die Option ›Ende‹ angezeigt!« Elliot lachte vor Erleichterung. Er wandte sich Tom zu. »Funktioniert die Endsequenz bei dir, oder muss ich dich abschalten, wenn ich draußen bin?«
»Warte mal.« Tom wandte sich ihm zu, wie elektrisiert und voller Entschlossenheit. »Geh noch nicht raus. Lass uns gegen sie kämpfen, Elliot. Komm schon. Du und ich. Hektor und … und irgendeine Schildwache. Lass uns gegen die Griechen antreten. Lass uns gegen die Russen und Chinesen antreten!«
»Du willst bleiben ?« Elliot starrte ihn an. Diese Möglichkeit war ihm offenkundig überhaupt nicht in den Sinn gekommen. »Die Schmerzrezeptoren stehen auf volle Leistung, Tom. Du hast Stephen doch gesehen. Hier durchbohrt zu werden fühlt sich wirklich an, wie durchbohrt zu werden.«
»Das Risiko gehe ich ein! Elliot, nun komm schon. Das könnte der Wahnsinn werden! Zeigen wir ihnen, dass Amerikaner keine Feiglinge sind!«
Unter ihnen schrien die Menschen, die von der eindringenden Armee niedergemetzelt wurden.
»Komm, Elliot«, bat Tom. »Das ist meine einzige Chance. Du kannst ständig gegen diese Leute kämpfen. Ich schaffe es vielleicht nie in die CamCo. Ich kämpfe im realen Leben vielleicht nie gegen sie.«
»Bedeutet dir das so viel?«
»Hör zu, Elliot. Ich würde alles dafür geben … Hey, ich leiste den Treueeid. Du willst Treue? Du kannst von mir so viel Treue haben, wie du nur willst. Aber schalte mich nicht ab!«
Elliot schüttelte den Kopf, gereizt, aber – das hätte Tom schwören können – auch amüsiert. »Du bist im falschen Zeitalter geboren worden, Tom. Du hättest ein Berserker sein sollen. Also schön. Ich werde dich nicht abschalten. Aber zieh als Krieger in den Kampf.« Er machte eine Handbewegung, und Toms Körper verwandelte sich.
Sein erster Impuls war es, Elliot dafür umzubringen, ihn erneut in ein Mädchen verwandelt zu haben. Doch dann begriff er, dass diese Mädchenfigur der fähigste, in dieser Simulation noch nicht in Anspruch genommene Krieger war: Penthesilea, die Königin der Amazonen.
Elliot salutierte vor ihm. »Mach deinem Land keine Schande, Rekrut.«
»Nein, Sir!«
»Jetzt musste ich dir nicht einmal das Sir herausquetschen, was? Tja, das reicht mir dann als Treueeid«, sagte Elliot grinsend und verschwand aus der Simulation.
Und so blieb es Tom, dem alleinigen, nicht virtuellen Verteidiger von Troja überlassen, gegen die gesamte Armee der Griechen anzutreten. Er wirbelte herum, und die Erhabenheit des Augenblicks überwältigte ihn. Dass er wahrscheinlich aufgespießt und so elendig enden würde wie Beamer, war ihm egal. Es machte ihm nicht einmal etwas aus, dass es wehtun würde. Hier schlug jetzt seine Ruhmesstunde.
Er beobachtete die Angreifer und wartete auf einen bestimmten. Wartete darauf, dass diese eine Person sich zeigen würde, jener Kämpfer, den er überall
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