Die Weltenspieler - Insignia I: Roman (German Edition)
Ausdruck auf seinem Gesicht und die Ungewissheit des Augenblicks flößten Tom das nackte Grauen ein. Plötzlich erinnerte er sich an einen Film, den er gesehen hatte, bei dem Menschen erst in einem Videogame und dann auch im realen Leben starben … genau wie jetzt hier. Er hatte soeben Beamer in ihrer defekten Simulation getötet, und was, wenn es ein schwerer Defekt war und Beamer nun auch tot im Übungsraum lag?
»O Gott, er hatte wirklich Schmerzen«, rief Tom, dem nun die Ungeheuerlichkeit seines Fehlers klar wurde. »Du glaubst doch nicht, dass er wirklich tot ist, oder?«
»Nein«, erwiderte Elliot sofort.
»Ich habe ihn getötet. Ich habe Beamer getötet!«
»Tom, das Programm verhakt sich alle paar Monate. Ich habe so etwas schon ein Dutzend Mal erlebt. Niemand stirbt in einer Simulation.«
Tom stand nur da, atemlos in der heißen trojanischen Sonne, und schaute auf die kopflose Leiche seines Freundes hinab. Nach wie vor musste er an diesen Film denken. Dessen Titel fiel ihm nicht mehr ein. Warum ihm das so viel ausmachte, wusste er nicht, aber er konnte nicht aufhören, darüber nachzudenken, wie der Titel lautete. Er zitterte am ganzen Leib.
Elliot legte ihm den Arm auf die Schulter. »Ist schon in Ordnung. Beamer ist aus der Simulation raus, und es geht ihm gut. Du hast richtig gehandelt. Du hast ihn nicht wirklich getötet. Ich werde diese Simulation beenden, dann wirst du es sehen.« Erneut fuchtelte er mit dem Arm herum, um sie zu beenden, die Stirn in Falten gelegt.
»Bist du dir ganz sicher, dass er nicht tot ist?«, fragte Tom erneut.
»Tom, definitiv«, beschwichtigte ihn Elliot und lachte dabei. »Es geht ihm gut.«
Tom sah in den blauen Himmel und spürte, wie der Wind ihm durch das Haar fuhr. Erleichterung überkam ihn. Nun fing auch er an zu lachen. »Wow. Also, einen Moment lang bin ich echt fast durchgedreht«, sagte er zu Elliot, obwohl dieser gänzlich damit beschäftigt war, die Simulation, die weiterhin nicht auf seinen Befehl ansprach, auszuschalten. »Ich habe es ernsthaft geglaubt. Einen Moment lang dachte ich ernsthaft, ich hätte Beamer get…«
Plötzlich explodierte die Welt um sie herum.
Tom war, als würde er schwerelos durch das All stürzen. Das Getöse in seinen Ohren übertönte seinen eigenen Schrei. Seine Hand schrammte an Steinen entlang, und er versuchte, sich Halt zu verschaffen. Als er es schaffte, war die Haut an seinen Fingern aufgerissen. Schwarzer Staub verdunkelte den Himmel und brannte ihm in der Lunge. Er lichtete sich gerade so weit, dass er die eingestürzten Mauern der Stadt enthüllte und auch Elliot, der sich hustend an der Mauer über ihm festklammerte.
Toms Arme brannten, während er weiter hinabrutschte. Ein Blick nach unten verriet ihm, dass seine Beine über der flachen Ebene baumelten. Da packte ihn eine feste Hand unter dem Arm, und er wusste, dass es Elliot war. »Komm!«
Tom erwischte Elliots Arm, und es gelang ihm, sich zurück auf die Überreste der Mauer hochzuziehen. Schreie erfüllten die Luft. Die Armee der Griechen unter ihnen drang durch das gesprengte Stück Mauer hindurch, um Troja einzunehmen.
Mit blankem Unglauben im Gesicht starrte Elliot nach unten. »Das ist nicht vorgesehen. Es sollte ein Trojanisches Pferd geben, keine Explosion.«
Auf einmal wurden ihrer beider Gehirne angepingt: Programmintegrität extern verletzt .
Nun ging Elliot ein Licht auf. »Es ist feindlicher Übergriff.«
Ein feindlicher Übergriff!
Plötzlich ergab alles einen Sinn.
Plötzlich war es nicht mehr unheimlich. Tom schaute durch den Dunst nach unten und blinzelte, um den Staub aus seinen brennenden Augen zu bekommen. Mit einem Mal surrte sein Gehirn vor Erregung. Ein feindlicher Übergriff!
Er kannte die im Turm kursierende Version von feindlichen Übergriffen. Vor drei Jahren waren sie häufiger vorgekommen, als der erste Schwung von Auszubildenden sich den Intrasolaren Streitkräften anschloss. Die russisch-chinesischen Hacker konnten zwar nicht allzu tief in das System des Turms eindringen, doch in oberflächliche, weniger gesicherte Bereiche wie etwa die Programme der Angewandten Simulationen gelangten sie zuweilen schon. Gelegentlich hackten sich Kombattanten in den Kanal der amerikanischen Simulationen und machten sich einen Spaß daraus, den Part des Feindes zu übernehmen. Dabei schalteten sie die indo-amerikanischen Schmerzrezeptoren ein, da dies der größte Schaden war, den sie anrichten konnten.
Im ersten Jahr des Programms
Weitere Kostenlose Bücher