Die Weltgeschichte der Pflanzen
chininhaltig«. Das mit Limettensaft und dem ziemlich bitteren Chinin gemischte Sodawasser war ein angenehm zu trinkendes Heilmittel, das Überlebenselixier der Weißen und vieler einheimischer Bevölkerungsgruppen in den Tropen. (Heute ist der Chinin-Anteil in Schweppes nur gering.)
Hinter dieser harmlos klingenden Entstehungsgeschichte eines populären Limonadengetränks verbirgt sich die Geschichte eines Heilmittels, das seit seiner Entdeckung für den Aufenthalt in den Tropen so wichtig war wie heute Antibiotika.
Die Entdeckung der Chinarinde ist mit der Legende verknüpft, die Gräfin von Cinchón, Gattin des spanischen Vizekönigs von Peru, sei 1638 als erster europäischer Mensch durch die Einnahme von Quinquina , eines Tranks oder Auszugs von pulverisierter Rinde eines Andenbaums, von der Malaria genesen. Ob es sich im Vizekönigspalast von Lima so oder ähnlich oder gar nicht abgespielt hat, ist nicht wirklich belegt.
Fest steht erstens, dass Chinarindenbaumpulver oder -extrakt lindernd und verzögernd gegen Malaria hilft. Zweitens, dass sich das Wort »Chinin« von dem Quechua-Wort quinquina (»Rinde der Rinden«) ableitet und rein gar nichts mit China zu tun hat. Drittens, dass der fragliche Baum bei der botanischen Namensgebung nach den Grafen von Cinchon benannt wurde ( Cinchona ), also ebenfalls nicht nach China.
Und viertens – und das ist das Wichtigste – ermöglichte erst die Entdeckung dieses Medikaments längerfristig das Überleben des weißen Mannes in den Tropen. Ohne Chinarinde wären die Europäer sehr schnell erkrankt, viele wären gestorben oder hätten leidend nach kurzem Aufenthalt nach Europa zurückkehren müssen. Die gesamte Kolonialgeschichte und damit der wesentliche Teil der neuzeitlichen Weltgeschichte wäre anders verlaufen. Spanier, Engländer, Portugiesen, Franzosen und Holländer wären angesichts der gesundheitlichen Bedrohung durch die Malaria größtenteils doch lieber zu Hause geblieben. Die Europäer hätten die Ressourcen unddie Menschen in allen anderen Teilen der Welt für viele Jahrhunderte nicht so durchgreifend beherrschen und ausbeuten können.
Der beherzte Zugriff des vizeköniglichen Leibarztes oder eines heilkundigen Jesuitenpaters auf das ungewöhnliche Heilmittel, wenn er denn am Krankenlager der Gräfin in Lima tatsächlich so stattfand, ermöglichte all das. Die Chinarinde wurde aus ihrer botanischen Heimat um Loja im heutigen Ecuador aus Hunderten von Kilometern Entfernung beschafft. Jesuitische Patres und Missionare hatten in den rund 100 Jahren, die seit der spanischen Eroberung des Inka-Reiches vergangen waren, durch ihren Kontakt mit der indigenen Bevölkerung von dem fiebersenkenden Mittel Kenntnis. Doch weder die Jesuiten noch die Andenvölker wussten etwas von der sehr guten Wirksamkeit spezifisch gegen Malaria. Man geht davon aus, dass die afrikanisch-eurasische Krankheit vor der Entdeckung in Amerika unbekannt war und durch die Europäer nach Südamerika eingeschleppt wurde. Bei der Wirkung der Chinarinde gegen Malaria handelt es sich also wohl nicht um »altes Heilwissen« der Indios. Die Krankheit trat dort erst seit einigen Jahrzehnten auf. Chinarindenextrakt war einfach ein wirksames fiebersenkendes Mittel.
Als fiebersenkendes und krampflösendes Mittel, beispielsweise bei Geburten verwendeten die Andenvölker die »Rinde der Rinden« schon seit Langem. Abgeschält sehen die Rindenstücke von Cinchona aus wie Zimtstangen. Die immergrünen Chinarindenbäume, deren Blätter und Habitus hochgewachsenem Kirschlorbeer ähneln, sind in Bergregionen der Nord-Anden heimisch in Höhen ab etwa 500 Meter bis über 2000 Meter.
Die Anwendung eines Chinarindenpulvers oder -auszugs war nicht immer so erfolgreich wie in der Legende von der Gräfin Cinchón. Man wusste noch nicht, dass nicht jede Art der Gattung Cinchona das begehrte Chinin enthält oder dass verschiedene Arten unterschiedliche Konzentrationen von Chinin enthalten. ( Cinchona gehört zur Pflanzenfamilie der Rötegewächse (wie der Kaffeestrauch oder der Waldmeister.) Das bitter schmeckende Chinin ist ein Alkaloid (wie Koffein oder Nikotin), welches, sehr vereinfacht gesagt, die Vermehrung des Malariaerregers im menschlichen Körper verhindert oder zumindest hemmt. Ansonsten wirkt es eben auch fiebersenkend und krampflösend.
Im Europa der Glaubenskämpfe weigerten sich viele Protestanten, das Mittel einzunehmen, weil die Jesuiten lange Zeit eine Art Monopol darauf innehatten und man
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