Die Werwolfbraut (German Edition)
zurückgekehrt war und sie sofort aufgesucht. »Das wurde auch Zeit. Sei froh, dass du noch lebst. – Jetzt wird wieder alles wie früher.«
»Nichts wird wie früher.«
Francesca, die Augen vom Weinen gerötet, schickte ihren ehemaligen Verlobten weg, der sich schon wieder Chancen ausrechnete. Später besuchte Francesca ihre Verwandten, die Andrigottis. Sie erschrak, als sie Rosanna im dämmrigen Schlafzimmer sah. Ihre Cousine lag im Bett, und ihre Augen glühten. Ihre Stimme klang grollend. Haare wuchsen in ihrem Gesicht, an den Haaren und im Dekolleté, obwohl der Mond noch nicht am Himmel stand.
»Du musst gegen den Trieb ankämpfen, Rosanna«, riet Francesca ihr. »Verlass ja nicht das Haus, und setze dich nicht dem vollen Mondlicht aus.«
Francesca nannte Rosanna die Diät, mit der Marchese di Lampedusa sie vertraut gemacht hatte. Rosanna verzog das Gesicht, als sie die rein pflanzlichen Zutaten hörte. Sie hatte Heißhunger auf rohes, blutiges Fleisch. Unbewusst spürte sie ein heftiges Verlangen nach der Lebensenergie, die sie damit aufnehmen konnte.
Als Francesca sich von ihr verabschiedete, sagte Rosannas Vater vorm Haus zu ihr: »Ich bin in großer Sorge um sie. Wenn es nicht anders geht, werden wir sie töten müssen.«
»Das dürft ihr nicht.«
»Soll ich zusehen, dass meine Tochter als Werwolf Menschen und Tiere umbringt? Dass sie eine Geißel für diese Gegend wird? Niemals.«
Francesca redete ihm ins Gewissen, hatte jedoch den Eindruck, dass sie tauben Ohren predigte. Sie verabschiedete sich. Am anderen Morgen hörte sie, dass Rosanna in der Nacht ausgebrochen und in Wolfsgestalt in die Berge gelaufen sei. Todsicher, Rosanna erlitt einen neuen Schrecken, zu Benito und seiner Wolfsbrut. Francesca war traurig über das Schicksal ihrer Cousine, mit der sie sich immer ausgezeichnet vertragen hatte.
Eine Vollmondnacht stand noch bevor. Obwohl sie besonders in den letzten Tagen eine Menge Aufregungen und Sorgen gehabt hatte, verließ Francesca in der Nacht das elterliche Haus. Die anderen schliefen alle. Francesca, in dunkler Kleidung, mit einem Umschlagtuch über dem Kopf, schlich aus dem Dorf und wanderte zum Castello di Lampedusa. Diesmal war es eine bewölkte Nacht. Der Wind blies, und sturmzerzauste Wolken jagten über den Himmel und verdeckten immer wieder den Mond.
Selten nur tauchte er auf und goss sein bleiches Licht über die Berglandschaft. Dann waren die Felsen silbrig hell, und die Schatten aufragender Gegenstände fielen lang in die hellen Sphären. Es war eine unheimliche, schaurige, unwirkliche Nacht. Nichts war wie sonst. Francesca spürte, dass ihr Gefahr drohte. Die Werwölfe jagten.
Mehrmals hörte sie Wolfsgeheul, doch es trieb sie zu ihrem Geliebten. Sie wollte bei Ricardo sein und sich mit ihm aussöhnen oder sterben. Sie konnte nicht anders. Näher erklang das Geheul der jagenden Wölfe. Francesca lief schneller. Schon sah sie das Kastell vor sich aufragen, doch einen Kilometer bergauf über steinige Pfade hatte sie noch.
Da erklang das Wolfsgeheul ganz in der Nähe und von allen Seiten. Francesca war eingekesselt. Ein letztes Mal versuchte sie noch, den Werwölfen zu entrinnen und zum Kastell zu gelangen, über dem Wolken am Nachthimmel trieben. Der Vollmond leuchtete durch die Wolkenfetzen.
Vier Wölfe näherten sich der blutjungen Frau. Sie stellte sich mit dem Rücken gegen einen aufragenden Felsen und ergriff einen kantigen Stein, um sich damit gegen die Wolfsbrut zu verteidigen. Viel würde es nicht nützen. Doch Francesca wollte nicht wehrlos sterben.
Sie sah den grauen Wolf, die schwarze Wölfin und den Jungwolf. Und noch eine weitere Wölfin war dabei. Als die grünen Lichter sie anfunkelte, wusste Francesca, dass dies Rosanna war, ihre Cousine.
»Geh!«, rief sie. »Lasst mich in Frieden.«
Die Werwölfin Rosanna knurrte. Die finsteren Triebe hatten sie überwältigt. Sie kannte keine Rücksichten mehr. Francesca war für sie nur noch eine Beute, frisches, warmes Fleisch, rotes Blut und Lebensenergie, die sie brauchte, um ihre Wolfsnatur zu festigen. Die Werwölfe schlichen näher. Francesca hob drohend den Stein.
Sie wäre verloren gewesen. Doch da ertönte über ihren Kopf ein Knurren. Im nächsten Moment sprang ein gestreckter Körper über sie hinweg und warf sich auf die vier Angreifer. Der riesige Wolf war es. Mit Pranken, die er als Werwolf hatte, und Zähnen balgte er sich mit der Wolfsbrut Benitos. Er wütete wie ein Berserker. Francesca sah nur
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