Die Werwolfbraut (German Edition)
ein Knäuel von Wolfskörpern, aus dem Geknurr und Gehechel, manchmal ein schmerzvolles Aufjaulen und ein Gewinsel klang.
Nach einer Minute schon flohen die vier Wölfe, hinkend, zerbissen und übel zugerichtet. Der graue Benito raste, so schnell er konnte. Seine Wunden von der letzten Nacht waren immerhin schon verheilt. Der riesige Wolf stellte sich schützend vor Francesca und heulte den Mond an, der zwischen jagenden Wolken auftauchte. Die Äste der Bäume und Büsche bogen sich in dem Sturm.
Der Wind brauste. In den letzten Minuten erst hatte er sich in dieser Stärke erhoben, als ob die Natur gegen die Werwölfe protestierte.
»Ricardo, bist du es?«, fragte Francesca den riesigen Werwolf.
Er hatte eine Schulterhöhe von einen Meter und zwanzig. Sein Schädel war kantig und klobig, der Rachen groß genug, um einem Menschen den Fuß abbeißen zu können. Lange, dolchspitze Eckzähne blitzten darin.
Der Werwolf fiepte leise. Es war das zarteste Geräusch, das er hervorbringen konnte. Er lief zu Francesca. Als sie ihm die Hand entgegenstreckte, leckte er sie mit seiner rauen Zunge zärtlich. Die gelbgrünen Lichter funkelten die junge Frau an. Francesca hatte keinen Moment mehr Angst, dass sie der Werwolf zerreißen könnte. Sie kraulte ihn hinter den Ohren und am Hals.
Der Wolf knurrte wohlig. Francesca kniete nieder und umarmte ihn. Sie presste den Kopf gegen den Wolfsschädel und roch den animalischen Geruch, der von dem Werwolf ausströmte.
»Ricardo«, sagte sie, »ich liebe dich, ganz egal, welche Gestalt du hast. Ich bin deine Frau. Ich werde dich immer lieben.«
Minuten verstrichen. Dann richtete der Wolf sich auf und spitzte die Ohren. Er hob den Kopf und witterte. Mit einem Sprung gelangte er zwischen die Felsen und verschwand in der Dunkelheit. Francesca wunderte sich. Der Grund des seltsamen Verhaltens des Werwolfs wurde ihr klar, als sie Stimmen und Hundegebell hörte und Fackeln und Taschenlampenlicht sah. Der Werwolf mit seinen scharfen Sinnen hatte viel früher als sie wahrgenommen, dass Menschen sich näherten.
Francesca blieb stehen. Etwa zwanzig Männer mit Gewehren näherten sich. Sie stammten aus San Clemente und Caulonia. Jäger waren es, Werwolfjäger. Ihre Flinten waren mit Silberkugeln geladen.
»Was suchst du hier, Francesca Montalba?«, fragte der Anführer der Jäger, der Dorfvorsteher von San Clemente. Er war ein großer, beleibter Mann. Er trug eine Weste mit gefüllten Patronenschlaufen und derbe Stiefel. »Weißt du nicht, dass die Werwölfe unterwegs sind? Aber wir werden die Brut schon erwischen. Ausrotten werden wir sie.«
»Ich weiß nicht, wovon du redest, Giulio Fonta«, sagte Francesca. »Vielleicht hat dir der Vollmond zu intensiv auf den Kopf geschienen.«
»Werde nicht frech, Werwolfbraut«, sagte das Dorfoberhaupt. »Trägst du vielleicht schon ein Balg von dem Werwolf vom Schloss im Bauch? Du bist auf seiner Seite.«
»Ich habe einen nächtlichen Spaziergang unternommen«, antwortete Francesca und richtete sich kerzengerade auf. »Wenn du meinen Mann noch einmal verleumdest, Fonta, wirst du dich vor Gericht dafür verantworten müssen. Jetzt will ich ins Schloss zurück. – Lasst mich in Ruhe. Ich habe euch nicht gerufen.«
Die schroffen Worte beeindruckten die Jäger. Francesca führte sich auf, als ob sie schon die Herrin von Lampedusa sei, die Marchesa. Scharf schaute sie Fonta an.
»Wenn du mich noch einmal beleidigst, wird mein Mann dich zur Rechenschaft ziehen.«
»Noch bist du nicht mit ihm verheiratet.«
»Aber bald. Du stehst auf dem Grund und Boden der Lampedusas, Fonta. – Gebt mir den Weg frei.«
In dem Moment erscholl in der Nähe ein schauriges Wolfsgeheul, dem ein lautes, grollendes Knurren folgte. Es klang, als ob es aus der Erde selbst dringen würde. Die Männer zuckten zusammen und bildeten einen Kreis. Sie hoben die Waffen und schauten voller Angst umher, als ob jeden Moment der Werwolf aus der Dunkelheit springen und sie angreifen würde.
Die Hunde winselten und verkrochen sich hinter ihren Herren. Es waren römische Mastinos und mannscharf abgerichtete Doggen und Schäferhunde darunter. Sie konnten nur zum Spurensuchen gebraucht werden, den Werwolf selbst griffen sie nicht an. Das Wolfsgeheul erscholl wieder, diesmal von einer anderen Stelle.
Die Jäger zielten dorthin. Obwohl sie in der Überzahl und ihre Flinten mit Silberkugeln geladen waren, hatten sie Todesangst. Der Werwolf zeigte sich nicht. Viel weiter weg ertönte das
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