Die Werwolfbraut (German Edition)
leben. Wir sorgen dafür, dass unsere Kinder Mädchen sind.«
»Was ist, wenn sie Kinder haben?«, fragte Ricardo. »Der Fluch, von dem ich nicht glaube, dass er beseitigt werden kann, bricht immer wieder durch. Er kann ein paar Generationen mit Mädchengeburten überspringen.«
»Warum denkst du so weit in die Zukunft, Liebster? Lass uns erst einmal tun, was jetzt angesagt ist. Wir lieben uns, und wir sind zusammen. Das ist das Wichtigste.«
Sie küssten sich lange. Danach aß Ricardo mit Heißhunger weiter. Schließlich hatte er drei Tage nichts zu sich genommen.
Später fragte ihn Francesca: »Hast du als Werwolf schon einmal einen Menschen umgebracht?«
»Nein«, antwortete der Marchese. »Doch mit zunehmendem Alter fällt es mir immer schwerer, den Trieb zu bändigen. Jedes Mal, wenn ich ein Werwolf bin, träume ich davon, einen Menschen umzubringen. Es sind schreckliche Visionen, die mich in dem Moment jedoch zutiefst verlocken und faszinieren.«
In dem Moment war er Francesca fremd. Sie überlegte, dass es Triebmörder gab, bei denen ihre Veranlagung auch immer wieder durchbrach und sie töten ließ. Teils auf grässliche Weise. Sie überlegte sich, wie diese Menschen wohl damit lebten. Oft verhielten sie sich unauffällig und fielen in ihrer Umgebung nicht auf, ja, galten sogar als freundlich und hilfsbereit. Die menschliche Seele barg viele Geheimnisse. Der Werwolf war dem Menschen vielleicht gar nicht so fremd, wie mancher dachte.
*
Die Hochzeit war angesagt. Sie sollte in der Schlosskapelle in kleinem Kreis stattfinden. Auch Francescas Mutter würde aus dem Sanatorium in der Schweiz kommen und daran teilnehmen. Es ging ihr schon wesentlich besser. Francesca las alles, was sie über Werwölfe und Okkultismus in die Finger bekommen konnte. Die Schlossbibliothek gab ihr reichlich Aufschluss über dieses Thema. In mehreren Magazinen fand sie Fachartikel von einem berühmten Parapsychologen und Werwolfforscher, dem Professor Dr. Gianni Cascia. Er wohnte in Turin, wo er an der Universität einen Lehrstuhl für Parapsychologie innehatte.
Francesca und Ricardo suchten ihn noch vor der Hochzeit auf. Professor Cascia empfing sie in seiner Villa im vornehmsten Viertel der Stadt. Er entstammte einer alteingesessenen, wohlhabenden Familie. Der schwarzbärtige, mittelgroße Anthropologie-Professor, Historiker und Parapsychologe mit dem markanten Kahlkopf war fasziniert von der Tatsache, einen echten Werwolf interviewen zu können. Am liebsten hätte er Ricardo wochenlang dabehalten und bei seinen Vorlesungen an der Universität als Demonstrationsobjekt vorgestellt.
Ricardo hatte dazu jedoch weder Zeit noch Lust.
»Für Sie mag es hochinteressant sein, einen echten Werwolf studieren zu können«, sagte er im antik eingerichteten großen Arbeitszimmer des Parapsychologen zu ihm. »Mir ist mehr daran gelegen, dass ich den Fluch endlich loswerde, der mein Leben verdüstert, und mit meiner schönen jungen Frau in Ruhe leben kann.«
Francesca flehte: »Bitte, helfen Sie uns!«
Professor Cascia nahm Abschied von seinem Wunschtraum, einen lebenden Werwolf über einen längeren Zeitraum weg beobachten und studieren zu können.
»Also gut«, sagte er. »Ich helfe Ihnen. Aber nur unter der Bedingung, dass Sie mir später bei meinem wissenschaftlichen Standardwerk über die Lykanthropie helfen und ich Ihre Erfahrungen und Kenntnisse bei meinen Fachartikeln verwenden kann.«
»Solange Sie dabei nur ein Initial meines Namens verwenden und man mich nicht identifizieren kann, ist es mir egal«, erwiderte Ricardo. »Bis zum nächsten Vollmond sind es nur noch drei Tage. Was sollen wir tun?«
»Zunächst die Hochzeit verschieben oder auf den Vollmondtermin vorverlegen. Werwölfe waren schon bei den alten Etruskern bekannt. Ich habe sämtliche Fachliteratur über dieses Thema gelesen. Die Kapitolinische Wölfin...«
»Schweifen Sie bitte nicht ab, Professor Cascia. Fachsimpeln können wir später.«
»Gut, wenn es sein muss. Ich würde gern eine phrenologische Vermessung Ihres Schädels vornehmen, Marchese. In der Fachliteratur steht, dass das Scheitel- und Kahnbein bei einem Werwolf eine ganz bestimmte Form und Stellung zueinander hat, die bei normalen Menschen nicht vorkommt. Ich halte diese These für Unsinn und möchte sie gern widerlegen.«
»Vermessen Sie an mir, was Sie wollen, aber nicht jetzt. Sagen Sie uns, was wir wissen wollen.«
Professor Cascia sprach: »Es heißt, die Liebe kann einen Werwolf
Weitere Kostenlose Bücher