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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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übermäßig
entzückt, sie zu sehen. Schließlich hatte sie ihn fast
unmittelbar nach meiner Geburt verlassen, und er war allein mit einem
brüllenden Baby auf dem Arm dagestanden. Ohne einen Telefonanruf
oder eine Postkarte drei Jahre lang wegzubleiben und dann aus der
Stadt und über die Brücke angebraust zu kommen – wobei
die Gummigriffe der Lenkstange seitlich Platz hatten –, mit
einem Baby oder Babies von einem anderen Mann unter dem Herzen, mit
der Erwartung, daß mein Vater für Unterkunft und Essen und
Pflege und die Entbindung sorgen würde, war schon ganz
schön unverschämt.
    Da ich damals erst drei Jahre alt war, ist mir nicht viel davon im
Gedächtnis haften geblieben. Genaugenommen kann ich mich an gar
nichts erinnern, so wie ich mich an nichts erinnern kann, das vor
meiner Zeit als Dreijähriger lag. Aber natürlich habe ich
dafür meine ganz bestimmten Gründe. Von dem wenigen, das
mein Vater freiwillig an Informationen preisgegeben hatte und das ich
mir Stück für Stück zusammenreimte, glaube ich mir
eine ziemlich zutreffende Vorstellung von den Ereignissen machen zu
können. Bei verschiedenen Gelegenheiten waren auch Mrs. Clamp
einige Einzelheiten entschlüpft, obwohl darauf vermutlich
ebensowenig Verlaß ist wie auf das, was mein Vater mir
erzählt hat.
    Eric war zu jener Zeit weg, er lebte bei den Stoves in
Belfast.
     
    Agnes, sonnengebräunt, hochgewachsen, ein Rausch von Perlen
und einem grellbunten Kaftan, die entschlossen war, ihr Kind im
Lotussitz zu gebären (die Stellung, in der ihrer Behauptung nach
auch die Empfängnis stattgefunden hatte), und zwar während
eines ›Om‹-Trips, weigerte sich, irgendeine Frage meines
Vaters zu beantworten; sie sagte nicht, wo sie sich während der
letzten drei Jahre aufgehalten hatte, noch mit wem sie
zusammengewesen war. Sie wies ihn zurecht, daß er keinerlei
Besitzanspruch auf sie und ihren Körper habe. Es ging ihr gut,
und sie erwartet ein Kind, mehr brauchte er nicht zu wissen.
    Agnes nistete sich trotz aller Einwände meines Vaters in dem
Raum ein, der früher ihr gemeinsames Schlafzimmer gewesen war.
Ob er insgeheim froh war, sie wieder bei sich zu haben, oder
vielleicht sogar die törichte Hoffnung hegte, sie könnte
für immer bleiben, vermag ich nicht zu sagen. Ich glaube nicht,
daß er in Wirklichkeit gar so ungestüm ist, trotz der
brunftigen Ausstrahlung, die er gern hervorkehrt, wenn er Eindruck
schinden will. Ich habe den Verdacht, daß die offensichtlich
sehr bestimmte Wesensart meiner Mutter ausgereicht haben dürfte,
um ihn in Schach zu halten. Wie auch immer, sie setzte ihren Kopf
durch und führte ein paar Wochen lang ein üppiges,
angenehmes Leben während dieses berauschenden Sommers voller
Liebe und Frieden und so weiter und so weiter.
    Damals konnte mein Vater noch beide Beine gebrauchen, und er
mußte sie auch gebrauchen, um von der Küche ins Wohnzimmer
oder ins Schlafzimmer und wieder zurück zu rennen, wenn Agnes
mit den kleinen Glöckchen läutete, die an den weiten
Schlägen ihrer Jeans angenäht waren; die Hose lag dekorativ
auf einem Sessel neben dem Bett. Darüber hinaus mußte mein
Vater auch noch für mich sorgen. Ich tapste zu jener Zeit
überall herum und geriet in sämtliche Schwierigkeiten, in
die ein normaler, gesunder Dreijähriger kommen kann.
    Wie gesagt, ich kann mich an nichts erinnern, doch man hat mir
erzählt, daß es mir offenbar Spaß gemacht hat, den
Alten Saul zu ärgern, die krummbeinige, uralte weiße
Bulldogge, die sich mein Vater hielt, weil – so wurde mir
ebenfalls berichtet – sie ein so häßliches Tier war,
das überdies keine Frauen ausstehen konnte. Motorräder
mochte der Hund genausowenig, und er war bei Agnes’ Ankunft
beinah durchgedreht, wild bellend und sie angreifend. Agnes versetzte
ihm einen so heftigen Fußtritt, daß er quer durch den
Garten flog, und er rannte jaulend in die Dünen davon, um nur
ein einziges Mal zurückzukehren, während Agnes mit
Sicherheit außer Gefecht gesetzt war, weil sie ans Bett
gebunden war. Mrs. Clamp besteht nach wie vor auf der Ansicht,
daß mein Vater den Hund längst hätte
einschläfern lassen sollen, bevor all das geschah, doch ich
glaube, der alte Kerl mit den tropfenden Lefzen, den gelben
Triefaugen, dem Fischgestank hat wohl irgendwie sein Mitleid erregt,
einfach dadurch, daß er so ekelhaft war.
    Agnes kam fristgerecht an einem heißen, ruhigen Tag zur
Mittagessenszeit nieder, Schweiß verströmend und sich ganz
›Om‹ hingebend,

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