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Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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dich Frank nennen.«
    »Und wer bist du dann?«
    Ich dachte einen Augenblick lang nach. »Eric?« sagte ich
versuchsweise.
    »Gerade hast du gesagt, daß du Frank bist.«
    »Na gut«, seufzte ich, stützte mich mit einer Hand
an der Wand ab und überlegte, was ich sagen sollte. »Das
war… das war nur ein Scherz. O Gott, ich weiß nicht.«
Ich sah das Telefon stirnrunzelnd an und wartete, daß Eric
sprechen würde.
    »Wie auch immer, Eric«, sagte Eric. »Was sind die
letzten Neuigkeiten?«
    »Oh, nichts Besonderes. Ich war gestern abend in der Kneipe.
Hast du gestern abend angerufen?«
    »Ich? Nein.«
    »Oh. Dad hat gesagt, daß jemand angerufen hat. Ich
dachte, du wärst es gewesen.«
    »Warum sollte ich anrufen?«
    »Na ja, ich weiß nicht.« Ich zuckte die Achseln.
»Vielleicht aus dem gleichen Grund, aus dem du heute abend
anrufst. Was weiß ich.«
    »Nun, was glaubst du, warum ich heute abend anrufe?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Herrje, du hast keine Ahnung, warum ich anrufe, du bist dir
deines eigenen Namens nicht sicher, du sprichst mich mit dem falschen
an. Du bist keine besondere Leuchte, was?«
    »O je«, sagte ich, mehr zu mir selbst als zu Eric. Ich
spürte, daß dieses Gespräch wieder vollkommen aus dem
Gleis geriet.
    »Willst du mich nicht fragen, wie es mir geht?«
    »Doch, doch«, sagte ich. »Wie geht es
dir?«
    »Schrecklich. Wie geht es dir?«
    »Ganz gut. Warum geht es dir schrecklich?«
    »Das interessiert dich nicht wirklich.«
    »Doch, natürlich. Was fehlt dir?«
    »Nichts, für das du wirklich Anteilnahme aufbringen
könntest. Frag mich etwas anderes, zum Beispiel, wie das Wetter
ist oder wo ich bin oder so. Ich weiß, daß es dir egal
ist, wie es mir geht.«
    »Das ist mir überhaupt nicht egal. Du bist mein Bruder.
Es ist ganz natürlich, daß mich das interessiert«,
protestierte ich. Genau in diesem Moment hörte ich, wie die
Küchentür geöffnet wurde, und ein paar Sekunden
später erschien mein Vater am Fuß der Treppe, hielt sich
an der großen Holzkugel fest, die oben auf dem letzten
Geländerpfosten herausgeschnitzt war, stand da und sah zu mir
herauf. Er hob den Kopf und neigte ihn leicht zur Seite, um besser
hören zu können. Mir entging ein Teil dessen, was mir Eric
als Antwort entgegnete, und ich bekam nur noch mit:
    »…egal, wie’s mir geht. Jedesmal, wenn ich anrufe,
ist es dasselbe: ›Wo bist du?‹ Das ist das einzige, das
dich interessiert; dir ist scheißegal, wo mein Kopf ist, dir
geht es nur um meinen Körper. Ich weiß nicht, warum ich
mir Gedanken mache. Ich kann mir die Mühe des Anrufens
genausogut sparen.«
    »Hm. Na gut. Da haben wir’s«, sagte ich und sah
lächelnd zu meinem Vater hinunter. Er stand reglos und
schweigend da.
    »Verstehst du, was ich meine? Das ist alles, was dir
einfällt: ›Hm. Na gut. Da haben wir’s.‹
Herzlichen Dank. Daran sieht man, wie scheißegal dir das alles
ist.«
    »Keineswegs. Ganz im Gegenteil«, versicherte ich ihm,
dann hielt ich den Hörer etwas von meinem Mund entfernt und rief
meinem Vater zu: »Es ist wieder mal nur Jamie, Dad!«
    »…warum ich mir überhaupt die Mühe mache,
weiß ich wirklich…«
    Eric polterte weiter in die Sprechmuschel, offenbar ohne daß
ihm aufgegangen war, was ich gerade gesagt hatte. Mein Vater
ignorierte meine Worte ebenso, er blieb in der gleichen Haltung, mit
schräggelegtem Kopf, stehen.
    Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen und sagte:
»Also, Jamie…«
    »Wie bitte? Merkst du was? Du hast meinen Namen schon wieder
vergessen. Was hat das alles für einen Sinn? Das möchte ich
mal wissen. Hm? Was hat es für einen Sinn? Er liebt mich
nicht. Du liebst mich jedoch, nicht wahr?« Seine Stimme
wurde eine Spur schwächer und hallte mehr nach; offenbar hatte
er den Mund von der Sprechmuschel entfernt. Es hörte sich an,
als ob er mit jemandem spräche, der sich mit ihm in der
Telefonzelle befand.
    »Ja, Jamie, natürlich.« Ich lächelte meinem
Vater zu und nickte und legte eine Hand in die Achselhöhle des
anderen Arms, um so entspannt wie nur möglich auszusehen.
    »Du liebst mich, nicht wahr, mein Süßes? Dein
kleines Herz ist Feuer und Flamme für mich…«, murmelte
Eric in weiter Ferne. Ich schluckte und lächelte meinen Vater
wieder an.
    »Na ja, Jamie, so ist das nun mal im Leben. Ich habe das
gerade erst heute morgen zu Dad hier gesagt.« Ich winkte
meinem Vater zu.
    »Du verglühst vor Liebe zu mir, nicht wahr, mein kleiner
Liebling?«
    Ich hatte das Gefühl, mein

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