Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Wespenfabrik

Die Wespenfabrik

Titel: Die Wespenfabrik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
Vom Netzwerk:
von
trockenem Sand klebten daran, und ich wischte sie weg. Das
Arbeitszimmer. Eine meiner wenigen unbefriedigten Bestrebungen ist
es, das Arbeitszimmer des Alten zu betreten. Den Keller habe ich
wenigstens gesehen und war auch schon einige Male darin, ich kenne
alle Räume im Erdgeschoß und im zweiten Stock; der
Dachboden ist ganz und gar meine Domäne und immerhin der Sitz
meiner Wespenfabrik; aber diesen einen Raum im ersten Stock kenne ich
nicht, ich habe ihn nie von innen gesehen.
    Ich weiß, daß er darin irgendwelche Chemikalien hat,
und ich vermute, daß er experimentiert oder so, aber wie der
Raum aussieht, was er wirklich darin treibt – davon habe ich
keine Ahnung. Die einzigen Eindrücke, die ich von ihm habe, sind
ein paar eigenartige Gerüche und das Tap-Tap des Stocks meines
Vaters.
    Ich strich über den langen Griff des Spatens und fragte mich,
ob mein Vater seinem Stock wohl einen Namen gegeben hatte. Ich
bezweifelte es. Er mißt diesen Dingen nicht die gleiche
Bedeutung bei wie ich. Ich weiß, daß sie wichtig
sind.
    Ich glaube, das Arbeitszimmer birgt ein Geheimnis. Er hatte mehr
als einmal entsprechende Andeutungen gemacht, zwar nur vage, aber
immerhin ausreichend, um in mir den Drang zum Weiterfragen zu wecken,
damit er weiß, daß ich eigentlich fragen will. Ich frage
natürlich nicht, denn ich bekäme sowieso keine
befriedigende Antwort. Wenn er überhaupt darauf einginge,
würde er mir einen Haufen Lügen auftischen, denn es liegt
auf der Hand, daß das Geheimnis kein Geheimnis mehr wäre,
wenn er mir die Wahrheit sagte, und er spürt genau wie ich,
daß er, je erwachsener ich werde, mir gegenüber so viele
Trümpfe wie möglich in der Hand halten muß; ich bin
kein Kind mehr. Es sind lediglich diese kleinen Stückchen
scheinbarer Macht, die ihn in dem Glauben bestärken, daß
er das Sagen in unserer Beziehung hat, die er für die
angemessene Vater-Sohn-Beziehung hält. Es ist wirklich
rührend, wie er mit seinen Spielchen und seinen Geheimnissen und
seinen verletzenden Äußerungen versucht, seine
Überlegenheit zu wahren.
    Ich lehnte mich auf dem Holzstuhl zurück und streckte mich
aus. Ich mochte den Geruch der Küche. Das Essen, der Schlamm an
unseren Gummistiefeln und manchmal der Gestank von Kordit, der
schwach aus dem Keller heraufdrang, all das erweckte in mir ein
gutes, dichtes, aufwühlendes Gefühl, wenn ich darüber
nachdachte. Bei Regen, wenn unsere Kleider naß sind, riecht es
anders. Im Winter stößt der große schwarze Ofen eine
Hitze aus, die nach Treibholz oder Torf duftet, und alles dampft, und
der Regen hämmert gegen die Fensterscheiben. Dann macht sich ein
behagliches Gefühl der Geborgenheit breit, man kommt sich
bestens aufgehoben vor, wie eine große Katze, die den Schwanz
um sich selbst geschlungen hat. Manchmal wünschte ich, wir
hätten eine Katze. Bisher besaß ich lediglich einmal einen
Katzenkopf, und den haben mir die Möwen geklaut.
    Ich ging zur Toilette, die von der Küche aus am anderen Ende
des Flurs lag, um ein großes Geschäft zu erledigen. Ich
brauchte nicht zu pinkeln, denn ich hatte den ganzen Tag über
die Pfähle angepinkelt und ihnen meine Duftnote und meine Macht
eingegeben.
    Ich saß da und dachte über Eric nach, dem etwas so
Unerfreuliches widerfahren war. Armer verdrehter Kerl. Ich fragte
mich – wie ich mich schon so oft gefragt hatte –, wie ich
damit fertig geworden wäre. Aber es war nun mal nicht mir
passiert. Ich bin hiergeblieben, und Eric war derjenige, der
weggegangen war, und es war alles an einem anderen Ort geschehen, und
mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Ich bin ich, und hier ist hier.
    Ich lauschte, ob ich meinen Vater hören konnte. Vielleicht
war er gleich ins Bett gegangen. Er schläft oft in seinem
Arbeitszimmer, lieber als in dem großen Schlafzimmer im zweiten
Stock, wo auch das meine liegt. Kann sein, daß dieser Raum zu
viele unangenehme (oder angenehme) Erinnerungen für ihn birgt.
Wie auch immer, ich hörte kein Schnarchen.
    Ich hasse es, daß ich mich immer richtig auf die Toilette
setzen muß. Mit meiner unseligen Behinderung bin ich im
allgemeinen gezwungen dazu, als ob ich, verdammt noch mal, eine Frau
wäre, aber ich hasse es. Manchmal stelle ich mich in der Kneipe
vors Urinierbecken, aber meistens endet das damit, daß mir
alles an den Händen oder Beinen entlangläuft.
    Ich strengte mich an. Plumps platsch. Etwas Wasser spritzte hoch
und traf meine Arschbacken, und in diesem Moment klingelte

Weitere Kostenlose Bücher