Die widerspenstige Lady
Ich muss nun aufbrechen. Haben Sie tausend Dank, dass Sie mir und Miss Pennyworth gestatten wollen, weiterhin hier bei Ihnen zu wohnen.“
Sein Blick verriet, dass er ihr kein Wort glaubte. Dennoch schwieg er dazu.
„Nur noch eins“, sagte er dann endlich. „Falls Ihr Ruf nach Ihrem Aufenthalt hier ruiniert sein sollte, erwarten Sie bitte nicht, dass ich den Gentleman spiele und Sie rette.“
„Wie darf ich das verstehen, Sir?“
Er nippte am Glas. „Ich habe nicht vor, Sie zu heiraten, nur weil Ihnen vielleicht irgendwann gesellschaftliches Ansehen plötzlich doch wieder etwas bedeutet.“
Am liebsten hätte sie dem arroganten Kerl eine schallende Ohrfeige verpasst. Nur mit Mühe gelang es ihr, der Versuchung zu widerstehen. „Da darf ich Sie beruhigen, Sir Hugo. Ein solches Opfer werde ich Ihnen sicher nicht abverlangen. Niemals.“
Bevor er noch etwas zu erwidern vermochte, eilte sie hinaus. Der Himmel allein mochte wissen, wozu der Mann sich sonst noch erdreistet hätte.
Nachdenklich sah er ihr nach. Strähnen ihres hellblonden Haares hatten sich aus dem strengen Knoten gelöst. Sie wirkten fast wie Strahlen silbernen Mondlichts. Seine Miene verfinsterte sich. Vielleicht war es doch nicht sonderlich klug gewesen, ihren weiteren Aufenthalt hier zu dulden. Er war wahrlich kein Dichter und verfügte diesbezüglich auch nicht über den geringsten Ehrgeiz. Trotzdem beschrieb er diese Frau gerade in Gedanken mit den blumigsten Worten. Manchmal war sein Verlangen wirklich stärker als sein Verstand.
Seufzend sank er auf den Diwan zurück.
Juliet mochte ja mit seinen Halbgeschwistern Joseph und Rosalie auf dem Weg hierher sein. Aber ob sie eine gestrenge Anstandsdame abgab, wagte er zu bezweifeln. Dennoch, die Klatschmäuler würde es zum Verstummen bringen. Es wirkte ja alles harmlos genug mit so vielen Menschen im Haus.
Er lächelte. Eigentlich der perfekte Rahmen für eine kunstvolle Verführung. Und schließlich hatte er Lady Fenwick-Clyde gewarnt, dass er keinesfalls auch nur daran dachte, sie zu ehelichen – ganz gleich, was geschehen mochte. Das verschaffte ihm sogar ein ruhiges Gewissen …
3. KAPITEL
Lässig lehnte sich Hugo in seinem Stuhl zurück und betrachtete die drei anderen, die mit ihm zu Abend aßen. Lady Fenwick-Clyde hatte zu seiner Rechten Platz genommen, Miss Susan Pennyworth zur Linken. Neben ihr saß Tatterly, stumm wie ein Fisch, während er andächtig jedem Wort lauschte, das Miss Pennyworth von sich gab – und es waren nicht eben wenige. Allein der Dame selbst schien zu entgehen, wie es um den Armen stand. Aber die Frau hat wohl eh nur Stroh im Kopf, entschied Hugo. Bestimmt begriff sie auch sonst nicht viel.
„Lady Fenwick-Clyde, wie haben Sie die Ausgrabungsstätte vorhin vorgefunden?“ Sicherlich würde ein anspruchsvolles Gespräch das dumme Huhn von einer Gesellschafterin rasch vom Tisch und aus dem Esszimmer vertreiben.
Ihre Ladyschaft sah ihn an, als ob er sich über sie lustig machte. Dabei war er von ihrer Arbeit tatsächlich begeistert. Wie hat eine solche Frau die Ehe mit Fenwick-Clyde nur überstanden? fragte er sich heimlich. Rasch vertrieb er den Gedanken. Das ging ihn nichts an.
„Ich werde morgen beginnen, ein neues Areal freizulegen, das ich heute Abend untersucht habe. Es könnte sein, dass unter der Erdschicht ein fast vollständig erhaltenes Mosaik liegt.“
„Wirklich“, erkundigte er sich und betrachtete sie wohlgefällig.
Diese Frau war so unverstellt und natürlich. Jedes ihrer Gefühle spiegelte sich offen in ihren Zügen wider. Wie sie wohl aussah, wenn sie unter ihm lag und er … Faszinierende Vorstellung.
„Was wollen Sie eigentlich mit all den Krügen und Scherben anfangen, die Sie ausgraben, Madam? Vergessen Sie nur ja nicht, dass sich alles auf meinem Grund und Boden befindet.“
Sie blinzelte und biss sich auf die Lippe. Mit diesen wunderbaren Augen und dem sinnlichen Mund war sie wirklich zu verführerisch. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass er sich jemals von einer Frau so angezogen gefühlt hatte.
„Ich hoffe doch sehr, dass Sie die Villa erhalten wollen“, antwortete sie. „Sie ist so ein großartiges Beispiel römischen Lebens in England. Ein beeindruckendes Stück Geschichte. Andernfalls hätten Sie gewiss nicht auf der Ausgrabung bestanden?“
Was sie wohl tun würde, wenn er es unternahm, sie zu verführen? Die Versuchung war fast unwiderstehlich. Seine Neugier hatte ihn schon sein ganzes Leben lang immer
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