Die widerspenstige Lady
wieder in Schwierigkeiten gebracht. Als Kind endeten seine Abenteuer deshalb häufig in Schmutz und Matsch – manchmal war es aber auch durchaus gefährlich geworden. So hatte er eines Tages ein Bienennest entdeckt und beschlossen, etwas Honig zu stehlen. Mit seinen zehn Jahren hielt er sich damals schon für einen richtigen Mann, der mit allem fertig wird. Am Ende war er zwar mehrmals böse gestochen worden, hatte aber auch den Honigvorrat der Bienen beträchtlich verkleinert. Er bekam eben stets, was er wollte.
„Der Grund ist meine ausgeprägte Neugier. Ich tue fast alles, um sie zu befriedigen.“
Erstaunt fragte sie: „Um mehr geht es Ihnen dabei nicht?“ Als Wissenschaftlerin konnte sie das nicht begreifen.
Ihr Entsetzen amüsierte ihn. Also zuckte er die Schultern und erklärte: „Eine antike römische Villa freizulegen und wieder aufzubauen, ist wahrscheinlich nicht die gewinnbringendste Art, meinen Grund und Boden zu nutzen, Madam. Insbesondere da die Stätte auf sehr fruchtbarem Land liegt – mitten in meinen Obstgärten.“ Er wandte sich an Tatterly, der kaum vom Teller aufzusehen wagte, angesichts der Nähe seiner Venus. „Nicht wahr, Tatterly?“
„Wie bitte?“ Der Verwalter fuhr hoch. „Verzeihung, Sir, ich habe wohl gerade nicht zugehört.“
Mit Mühe verbiss Hugo sich das Lachen. Er wollte seinen Verwalter keinesfalls noch mehr verschüchtern. Außerdem hatte er noch nie dazu geneigt, Menschen lächerlich zu machen und ihnen absichtlich wehzutun. Jemanden zu necken und im Spaß zu provozieren, ja sicher. Der arme Tatterly jedoch war wahrlich schon verzweifelt genug.
„Ich sagte gerade zu Lady Fenwick-Clyde, dass die Ausgrabungsstätte inmitten meiner ertragreichsten Obstgärten liegt. Da habe ich doch wohl recht?“
„Ja, ja, natürlich“, bestätigte Tatterly mit seiner angenehm tiefen Stimme.
Hugo schüttelte den Kopf. Liebe Güte, hatte es den Mann erwischt! „Wie Sie hören, Madam, muss ich also wirtschaftliche Überlegungen gegen die Wissenschaft abwägen.“ Er gab einem Diener einen Wink, damit der mehr Wein nachschenkte. „Danke, John.“
Der junge Mann lächelte glücklich und tat, als würde er die missbilligende Miene des Butlers nicht bemerken. Ein Lakai hatte bei Tisch nicht zu sprechen und keinerlei Gefühle zu zeigen. Das fiel allerdings einigen der Angestellten auf Rosemont mit seinem stets freundlichen und aufmerksamen Herrn ausgesprochen schwer.
Dieses kleine Zwischenspiel war Annabell nicht entgangen, sie schwieg allerdings dazu.
Hugo hatte nicht vor, die Fragen, die sie sich so offensichtlich stellte, unbeantwortet zu lassen. Insbesondere weil er gespannt war, wie sie mit dem Gehörten umgehen würde. War sie wirklich die Frau, für die er sie hielt?
„Eigentlich war mir vom Schicksal bestimmt, selbst einmal für andere zu arbeiten. Das habe ich nie vergessen. Deshalb halte ich meine Angestellten auch für Menschen, wie ich einer bin – sie hatten nur weniger Glück.“
Aufmerksam lauschte sie seinen Worten und musterte ihn dann forschend, schwieg aber weiter. Es war ihm also gelungen, sie mit seiner Geschichte zu faszinieren. Zufrieden lächelte er. Nun, er hatte durchaus vor, sie noch mit ganz anderen Dingen zu begeistern als mit Geschichten aus seinem Leben.
„Sie belieben zu scherzen, Sir Hugo“, bemerkte Miss Pennyworth und legte die Hand über ihr Glas, als John nachschenken wollte. „Ein Mann Ihres Standes und Vermögens lief sicherlich niemals Gefahr, im Dienstbotentrakt zu enden. Immerhin …“ Sie machte eine ausladende Geste und sah sich im eleganten Speisesalon um. „Immerhin gehört Ihnen Rosemont, und das ist keineswegs Ihr einziger weltlicher Besitz. Weshalb also hätten Sie je auch nur einige Wochen Ihres Lebens als niederer Lakai zubringen sollen? Das begreife ich nicht.“
John füllte das Glas seines Herrn, der den Blick nachdenklich auf Miss Pennyworth ruhen ließ. Lady Fenwick-Clyde hatte bei den Worten ihrer Gesellschafterin leise aufgestöhnt. Diese Pennyworth war also nicht nur ein dümmliches Plappermaul, nein, sie war auch so gefühllos, dass ihr vollkommen entging, wenn sie Anwesende verletzte. Die tatsächlichen Umstände seiner Geburt würden sie vielleicht eines Besseren belehren, und sie würde in Zukunft mehr Rücksicht nehmen auf ‚niedere Lakaien‘. Doch wahrscheinlich war das ein frommer Wunsch.
Nach einem Schluck Wein setzte er das Glas ab und lehnte sich entspannt im Stuhl zurück. „Keineswegs, Miss
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