Die widerspenstige Lady
faszinierte.
Zwar wollte er seinen ungebetenen Gast aus dem Haus haben, weil es sonst nur Schwierigkeiten geben würde. Dennoch war ihm sehr daran gelegen, dass die Villa weiter ausgegraben wurde. Wenn möglich, sollte sie sogar wieder aufgebaut werden.
Tatterly hatte ihm damals geschrieben, dass einer der Pächter die Villa beim Pflügen in der Nähe des Obstgartens entdeckt hatte. Hugo antwortete dem Verwalter, dass er die Stätte von einem Experten ausgraben lassen solle. Allerdings hatte er nicht damit gerechnet, dass es sich dabei um eine Frau handeln würde.
Halb amüsiert, halb gequält lächelte er. Es wäre ihm nicht einmal in seinen verworrensten Träumen eingefallen, eine Frau könne sich für Altertümer und die Antike begeistern – oder wäre auf dem Gebiet gar eine Berühmtheit wie Lady Fenwick-Clyde.
Seltsam, dass sie beide die Leidenschaft für Alte Geschichte miteinander teilten. Allerdings war dies kein Grund, ihr zu gestatten, im Haus zu bleiben, angesichts des Geredes, das folgen würde. Danach wäre ihr Ruf zweifellos ruiniert, oder er würde sich gar gezwungen sehen, ihr die Ehe anzutragen. Beides keine schöne Aussicht.
Außer natürlich, sie blieb freiwillig, obwohl sie wusste, dass eine Ehe mit ihm ausgeschlossen war.
Als Annabell die Bibliothek betrat, fand sie Sir Hugo dort auf einem Diwan, in der einen Hand ein Buch, in der anderen den Cognacschwenker. Er wirkte restlos zufrieden. Für einen Mann seines Rufs verbrachte er erstaunlich viel Zeit in der Abgeschiedenheit seines Bücherzimmers. Sie hätte ihn viel eher am Spieltisch erwartet, oder mit einem Schankmädchen auf den Knien in einer nahe gelegenen Taverne.
„Sir Hugo“, sagte sie fest. „Ich muss mit Ihnen sprechen.“
Was er darauf antwortete, konnte sie nicht verstehen. Aber es klang wie ein Fluch. Er machte sich nicht die Mühe aufzustehen oder sie auch nur anzusehen. Stattdessen tat er, als wäre sie gar nicht da.
„Ich sagte, ich muss mit Ihnen reden.“ Sie trat neben den Diwan und funkelte den Gastgeber böse an.
Sein Haar war vom Ritt noch immer zerzaust, und die vollen Locken fielen ihm in die Stirn. In den hellgrünen Augen lag ein Leuchten, das sie nicht zu deuten wusste. Und dann die vollen Lippen …
Unwillkürlich dachte sie daran, wie sie sich auf ihrem Mund angefühlt hatten. Natürlich verfügte er über beträchtliche Übung im Küssen. Am liebsten hätte sie seine Lippen sanft mit dem Finger nachgezogen. Himmel! Wütend ballte sie die Hände und ließ die Arme sinken. Nie hatte sie geglaubt, je so empfinden zu können … Der Mann tat ihrem Seelenfrieden ganz und gar nicht gut.
Endlich legte er das Buch beiseite. Es war ein Roman von Jane Austen. „Ich dachte, Sie wären inzwischen verschwunden.“
„Das Gasthaus ist vollständig belegt“, erklärte sie sachlich.
„So ein Pech.“
Sie wartete, doch er nippte nur am Glas, ohne noch etwas zu sagen.
„Sie trinken viel, Sir Hugo“, versuchte sie ihn zu provozieren. Aus irgendeinem Grund brachte dieser Mann ihre schlechtesten Eigenschaften zum Vorschein.
Er nickte. „Stimmt, aber keineswegs so viel wie manch anderer. Wo werden Sie also von nun an wohnen?“
Gerade wollte sie ihm energisch auseinandersetzen, dass sie auf Rosemont zu bleiben gedachte. Aber dies war doch immer noch sein Haus, und er konnte sie jederzeit hinauswerfen, wann immer es ihm beliebte – ganz gleich, ob sie die Nacht dann auf einem Feld verbringen musste. Wahrscheinlich lebte sie inzwischen zu lange allein und war es nicht mehr gewohnt, von einem Mann abhängig zu sein. Sonst wäre sie freundlicher zu ihm gewesen.
„Darf ich mich setzen?“, fragte sie betont höflich.
Lässig wies er auf einen breiten, mit Chintz bezogenen Sessel, auf dem sie schon des Öfteren gern Platz genommen hatte. Es gab doch nichts Schöneres, als vor einem prasselnden Feuer zu sitzen, Tee zu trinken und ein gutes Buch zu lesen. Außer vielleicht, es gab dazu noch knusprigen Toast mit selbst gemachter Marmelade. Fitzsimmon besaß wirklich eine beeindruckende Literatursammlung. Es war alles dabei, von antiken Klassikern bis zu Jane Austen. Ob er all die Bücher hier bereits gelesen hatte? Wohl kaum. Dafür waren es dann doch zu viele.
Sie setzte sich und strich den Rock des hochtaillierten Kleides, das sie inzwischen angelegt hatte, glatt. „Das nächste Gasthaus mit freien Zimmern liegt einen mindestens einstündigen Ritt von hier entfernt, was mir meine Arbeit sehr erschweren und
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