Die widerspenstige Lady
vorstellen, dass Sie damit viel Erfahrung haben.“
„Dann irren Sie.“
„Wie wenig wir einander doch kennen“, flüsterte Annabell.
„Da haben Sie allerdings recht. Aber wir sind beide Frauen und können unsere Gefühle nur schwer verbergen.“
„Sie werden Hugo heiraten, scheinen darüber allerdings nicht sonderlich glücklich zu sein.“
„Mag sein. Vielleicht wünsche ja auch ich mir, die Dinge wären anders gekommen. Deshalb wollte ich mit Ihnen sprechen, Lady Fenwick-Clyde.“
„Sie müssen vor mir keine Geständnisse ablegen, Lady Mainwaring. Sir Hugo und ich waren nie verlobt und haben uns auch nicht die Treue geschworen.“
„Tatsächlich?“
Annabell schüttelte den Kopf.
„Irre ich mich dann also, wenn ich unterstelle, dass Sie tiefere Gefühle für ihn hegen?“
Fahrig zog Annabell den Schal fester um die Schultern. Sie musste aufpassen, was sie sagte. Lady Mainwaring tat zwar, als wollte sie das Innerste ihrer Seele offenbaren.
Allerdings hatte sie bisher noch nicht allzu viel von sich preisgegeben. Außerdem erschien es Annabell alles andere als klug, Hugos Verlobter die eigenen verletzlichen Punkte zu zeigen.
„Lady Mainwaring, seit ich hier bin, habe ich mit Sir Hugo Karten gespielt, seine Bücher geliehen und jeden Abend mit ihm das Dinner eingenommen. Ja, er hat mir sogar beigebracht, wie man Walzer tanzt. Es wäre also eine Lüge, behauptete ich, ihm gegenüber vollkommen gleichgültig zu sein.“
„Er ist Ihnen also nichts weiter als ein Freund?“
„Was beabsichtigen Sie eigentlich mit diesem Gespräch?“, fragte Annabell.
„Vielleicht hat mich ja das schlechte Gewissen gepackt?“
„Wie bitte?“
„Lady Fenwick-Clyde, offenbar vertrauen Sie mir nicht und wollen mir deshalb Ihre Gefühle nicht offenbaren. Trotzdem bleibe ich dabei: Sie sind Hugo von ganzem Herzen zugetan. Und das Gleiche darf man umgekehrt von ihm behaupten, glaube ich. Für einen Mann wie ihn ist das ausgesprochen überraschend.“ Sehnsüchtig sah sie hinunter in den Garten. „Ich kenne ihn nun schon viele Jahre. Nach meinem Trauerjahr machte ich ihm ein Angebot.“ Es zuckte um ihre Mundwinkel. „Zweifellos können Sie sich vorstellen, dass er dem nicht eben ablehnend gegenüberstand. Schockiert?“
„Sollte ich das sein?“, fragte Annabell. Tatsächlich aber hatte Elizabeth recht. So unabhängig sie, Annabell, auch sein mochte, wäre sie doch im Traum nie auf den Gedanken verfallen, einem Mann ganz unverblümt eine Affäre anzutragen.
„Wer mich kennt, wird darüber kaum überrascht sein“, erklärte Lady Mainwaring. „Jedenfalls liegt das nun ein volles Jahr zurück. Ich folgte ihm sogar auf den Kontinent. Obwohl ich offen zugeben muss, dass Hugo nicht der eigentliche Grund meiner Reise war. Der halbe ton hielt sich ja dort auf. Es versprach, amüsant zu werden.“
„Also sind Sie seit ungefähr einem Jahr Hugos Geliebte?“
„Richtig. Allerdings wollte er mich Ihretwegen aufgeben.“
Also hat Hugo mir die Wahrheit gesagt, dachte Annabell. Aber was half das jetzt noch?
„Und mir wäre es ganz gleichgültig gewesen, dass unsere Liaison endet.“ Elizabeth hielt inne und überlegte, bevor sie weitersprach: „Meine Gefühle waren längst an jemand anderen gebunden.“ Bitter lachte sie auf. „Ich war eine Närrin, aber ich liebte diesen Mann und habe Hugo mit ihm betrogen.“
Wie konnte diese Frau es wagen? Bisher hatte Annabell gedacht, nur Ehegatten würden einander betrügen. Eine solche Behandlung hatte der stets aufrichtige Hugo nicht verdient.
„Damals gab es für mich nichts als diesen Mann“, erzählte Elizabeth weiter. „Falls Hugo davon erfuhr, hat er es jedenfalls für sich behalten. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, wurden seine Besuche bei mir in jener Zeit tatsächlich seltener. Er ist ein wunderbarer Liebhaber und hat mich stets vor einer möglichen Schwangerschaft beschützt.“
Mit geschlossenen Augen lehnte Lady Mainwaring sich gegen die Balustrade. „Ich habe schon einmal einen Bastard geboren und ihn weggegeben. Es war ein kleines Mädchen.“ Flüsternd fügte sie hinzu: „Mein Gemahl konnte es nicht verwinden, dass man ihm Hörner aufgesetzt hatte. Er stellte mich vor die grausame Wahl, das Kind aufzugeben oder aber mit meinem Liebhaber durchzubrennen. Der war allerdings auch verheiratet. Andernfalls hätte Mainwaring mich schlicht ohne jede Unterstützung hinausgesetzt.“ Sie öffnete die Augen. „Ich gab das Kind fort.“
„Was Sie taten,
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