Die widerspenstige Lady
gehen.“
„Verzeihen Sie, dass ich Sie aufgehalten habe. Sie werden hoffentlich nicht zu spät zu einer Verabredung kommen.“
„Nein, keineswegs. Aber meine Kutsche wartet bereits draußen.“
„Natürlich. Nochmals meinen Dank.“
Sie nickte ihm zu und ging davon.
17. KAPITEL
„Sie sind so ungezogen, Mr. Chillings.“ Lucy Duckworth schlug Dominic neckisch mit dem Fächer auf den Arm.
Er lächelte und wirkte dabei vollkommen bezaubert. „Nur wenn Sie bei mir sind, Miss Lucy.“
Annabell fürchtete, ihr würde noch übel werden von dem unverhohlenen Geturtel der zwei. Doch sie zwang sich, ebenfalls zu lächeln, und nickte dem Bruder zu. Was um Himmels willen tat sie nur hier bei Almack’s ? Sie war gerade erst eine Woche in der Stadt, und Dominic zog mit ihr durch halb London, nur um die ältere Duckworth-Schwester als Anstandsdame los zu sein.
Miss Lucy lachte zwitschernd. Verzweifelt sah sich Annabell im Saal um. Seit ihrem eigenen Debüt vor vielen Jahren war sie nie wieder bei Almack’s gewesen. Seitdem hatte sich nicht das Geringste geändert. Die Säle waren schmucklos, die Speisen höchstens mittelmäßig, und die Anwesenden fest überzeugt davon, die Crème de la Crème des Landes zu sein. Nein, dies würde wieder kein vergnüglicher Abend, doch immerhin konnte sie auf ihren Bruder aufpassen.
„Miss Lucy und ich werden jetzt ein wenig tanzen“, riss Dominic sie aus den Tagträumen.
„Gib nur ja auch den anderen Herren Gelegenheit, mit ihr zu tanzen, Bruderherz. Sonst werden sich die Klatschbasen bald die Mäuler über euch zerreißen“, mahnte Annabell.
„Aber natürlich, Lady Fenwick-Clyde“, antwortete Lucy für den Angebeteten mit vor Aufregung glühenden Wangen.
Man hätte annehmen können, die Kleine wäre zum ersten Mal bei Almack’s , was keineswegs stimmte. Gerade erst letzte Woche hatte Dominic sie hierher ausgeführt. Allerdings war Lucy zuvor stets in Begleitung der älteren Schwester im Ballsaal erschienen.
Die Musik begann. Annabell beobachtete die beiden, wie sie sich zur Quadrille aufstellten. Ihr entging nicht, mit welch eifersüchtigen Blicken so manche junge Dame Lucy bedachte. Der Bruder mochte ein Lebemann sein, dennoch galt er als ausgesprochen begehrte Partie. Gerade seine verwegene Ausstrahlung machte ihn für viele Frauen unwiderstehlich.
Plötzlich stand Mr. Hawks vor ihr. „Oh!“, rief Annabell erstaunt.
„Verzeihen Sie, Lady Fenwick-Clyde, ich wollte Sie nicht erschrecken.“
Er war wieder ausgesprochen elegant gekleidet, wie ihr auffiel.
„Sie müssen sich nicht entschuldigen“, wehrte sie ab. „Ich war nur gerade so in Gedanken, dass ich Sie nicht kommen hörte.“
„Erlauben Sie?“, fragte er und deutete auf den Stuhl neben ihr.
Die Höflichkeit verbot es ihr abzulehnen. Und sie war auch gar nicht sicher, ob sie es gewollt hätte. Verständigere Gesellschaft als Dominic und seine alberne Lucy war ihr durchaus willkommen. Wie die eher ernsthaft veranlagte Miss Emily Duckworth die beiden immer wieder ertrug, war Annabell schlicht ein Rätsel. Doch glücklicherweise gingen sie deren Sorgen nichts an – solange Dominic sich nur benahm und Lucys Ruf nicht ruinierte.
Mr. Hawks räusperte sich.
„Oje, bitte vielmals um Entschuldigung. Natürlich dürfen Sie sich setzen.“
„Danke.“ Er nahm Platz. „Kommen Sie oft her?“
Sie lachte. „Oh, nein, seit Jahren zum ersten Mal. Heute Abend hat mein Bruder mich überredet.“
„Mr. Dominic Chillings?“ Er sah sich suchend auf der Tanzfläche um.
„Kennen Sie ihn?“
Sie wusste nicht, ob es unbedingt ein gutes Licht auf jemanden warf, wenn er mit ihrem Bruder bekannt war. Dominic bewegte sich oft in Kreisen, die als ausgesprochen wild galten. Andererseits hätte man dasselbe auch von Hugo behaupten dürfen – und konnte es wahrscheinlich noch immer. Das hatte sie allerdings nicht davon abgehalten, sich in ihn zu verlieben. Ihre Miene verfinsterte sich.
„Ist etwas nicht in Ordnung?“, fragte Mr. Hawks besorgt.
„Nein, nein. Aber Sie haben mir noch nicht gesagt, ob Sie Dominic kennen.“
„Nur vom Hörensagen.“
„Tatsächlich?“ Sie hob das Kinn, bereit, den Bruder gegen jeden Angriff zu verteidigen.
Mr. Hawks’ Ton missfiel ihr. Es klang, als sollte man Dominic besser meiden. Und wenn sie dies auch selbst gern mancher jungen Dame geraten hätte, stand es einem völlig Fremden nicht zu, über ihren Bruder zu urteilen. Insbesondere da er ihm nie persönlich begegnet
Weitere Kostenlose Bücher