Die Wiederkehr
sehen«, sagte er mit sonderbarer Betonung. Er machte eine kurze Pause, dann fuhr er fort:
»Neun.«
»Neun?«, wiederholte Andrej verständnislos.
»Du hast neun von ihnen getötet«, antwortete Thilo. »Ganz allein.
Und in vollkommener Dunkelheit. Und noch etwas.« Wieder legte er
eine kleine, genau bemessene Pause ein. »Du hast keinen Kratzer.«
Andrej sah noch einmal zu dem zerbrochenen Gitter hoch, bevor er
antwortete. Der grausige Scheiterhaufen glomm nur noch, und das
Licht der einzelnen Fackel reichte nicht aus, um dort oben mehr als
vage Umrisse und tanzende Schatten zu erkennen. Schließlich löste
er seinen Blick und hob die Schultern. »Ich hatte Glück.«
»Glück?« Thilo wiederholte sein Kopfschütteln, streckte dann aber
die Hand aus, um Andrej auf die Beine zu helfen.
»Ich glaube nicht, dass das schon alles war«, schätzte er die Lage
ein. »Sie werden wiederkommen. Und ich würde es vorziehen, dann
nicht mehr hier zu sein.«
Andrej hätte seine Hilfe nicht mehr nötig gehabt, um aufzustehen,
denn er hatte sich bereits wieder hinlänglich regeneriert. Trotzdem
griff er mit einem dankbaren Lächeln nach Thilos ausgestreckter
Hand und überließ es fast allein dem Hauptmann, ihn in die Höhe zu
ziehen. Er vermochte nicht zu sagen, ob Thilo auf diese Scharade
hereinfiel, aber sie konnte auf keinen Fall schaden.
»Dein Kamerad?«, fragte er, nachdem Thilo seine Hand losgelassen
hatte und einen Schritt zurückgetreten war.
Thilo schüttelte stumm den Kopf und wandte sich dann mit einem
Ruck um. Andrej war taktvoll genug, keine weitere Frage zu stellen.
Thilo und seine Männer verband etwas Besonderes, das wurde Andrej mit jedem Soldaten klarer, der fiel.
Andrej machte sich auf die Suche nach seinen Schwertern, und Thilo ging zu seinem verbliebenen Kameraden zurück. Seine eigene
Waffe fand Andrej auf Anhieb, die andere war verschwunden, vermutlich ins Wasser gefallen.
Der grausige Scheiterhaufen war niedergebrannt, doch selbst das
Licht der einzelnen Fackel, die ihnen jetzt noch blieb, reichte aus, um
Andrej erkennen zu lassen, dass die untoten Geschöpfe alle auf die
gleiche Weise gekleidet waren: Burnus, weite Pluderhosen und Turbane. Manche trugen auch reich bestickte Hemden oder schwere,
ärmellose Westen, und mehr als einer hatte einen Säbel im Gürtel
oder einen kostbaren Dolch.
»Du hattest Recht, Andrej«, sagte Thilo, als Andrej neben ihm anlangte. »Das waren Männer aus Solimans Armee.«
Er richtete sich auf und wedelte mit einem kostbaren, mit Edelsteinen verzierten Dolch, den er einem der Kadaver abgenommen hatte.
»Das ist nicht die Waffe eines einfachen Kriegers. Das waren Offiziere - oder Kämpfer aus einer ganz besonderen Einheit.«
»Aber genutzt hat es ihnen nicht viel«, fügte sein Begleiter hinzu.
Soweit sich Andrej erinnern konnte, war es das erste Mal, dass er
überhaupt das Wort ergriff.
»Ich frage mich nur, was ihnen zugestoßen ist«, murmelte Thilo.
Das stimmt nicht, dachte Andrej. Er hatte nicht sich gefragt, sondern ihn. Doch er gab sich nicht viel Mühe, diesen Umstand zu verhehlen, sondern sah Andrej auffordernd an.
Andrej ignorierte die bohrenden Blicke der beiden Männer jedoch
und sah stattdessen wieder nach oben. Er war dem Gitter jetzt nahe
genug, um zu erkennen, dass die Bewegung, die er dort oben zu sehen gemeint hatte, tatsächlich nur eingebildet gewesen sein konnte.
Der Gang hinter dem rostigen Gitter war so leer wie die Augen des
toten muselmanischen Kriegers, neben dem er stand.
»Du verschweigst etwas«, sagte Thilo schließlich.
»Vielleicht«, antwortete Andrej achselzuckend. »Aber wenn es so
sein sollte, bin ich wohl kaum der Einzige hier.«
Eine Sekunde lang sah Thilo überrascht aus, aber dann hob auch er
nur die Schultern und gab seinem Kameraden einen Wink, die
Schutthalde hinaufzuklettern. Als er oben angekommen war, warf er
ihm die brennende Fackel zu, die der Mann mit einer Geschicklichkeit auffing, die erkennbar werden ließ, dass er so etwas nicht das
erste Mal tat.
Thilo bedeutete Andrej, ebenfalls nach oben zu klettern, wartete mit
sichtlicher Ungeduld, bis er gehorchte und bildete dann den Abschluss.
Oben angekommen, blieb Andrej noch einmal stehen und warf einen langen Blick in die fünf Meter tiefer liegende Dunkelheit hinab.
Die Glut war beinahe ganz erloschen. Noch einen Augenblick, und
die Nacht würde ihre Herrschaft über diese unterirdische Stadt erneut
antreten. Wenn es außer den Untoten, die sie gerade
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