Die Wiederkehr
als Freunde«, antwortete Andrej, ohne
den ganz langsam näher kommenden Vampyr auch nur für den
Bruchteil eines Atemzuges aus den Augen zu lassen. »Jedenfalls
dachte ich das damals. Es ist lange her. Ich muss mich wohl getäuscht haben.«
»Du verletzt mich, Andrej«, sagte der Unsterbliche. »Das habe ich
wirklich nicht verdient.«
»Was willst du?«, fragte Andrej kalt. »Wenn du mich töten willst,
dann komm her und tu es.«
Er winkte auffordernd mit der freien Hand, aber der andere machte
keine Anstalten, der Einladung Folge zu leisten, sondern blieb stehen, legte den Kopf auf die Seite und sah Andrej aus seinen ebenso
schönen wie gnadenlosen Augen an. »Dich töten?«, wiederholte er
mit nahezu perfekt gespielter Überraschung. Dann zuckte er mit den
Schultern. »Aber warum eigentlich nicht? So lange, wie ich nun
schon meine schützende Hand über dich halte, bin ich wohl auch der,
dem es zusteht, es zu Ende zu bringen, nicht wahr?«
Andrej war klar, dass das einzig Kluge gewesen wäre, gar nicht zu
antworten. Dennoch fragte er: »Was soll das heißen?«
Der Ausdruck gespielter Verwirrung in dem noch beinahe knabenhaften Gesicht seines Gegenübers verstärkte sich. »Aber Andrej, so
naiv kannst du doch nicht sein«, sagte er. »Du kannst nicht im Ernst
annehmen, dass du ein halbes Jahrhundert lang unbehelligt geblieben
bist, ohne dass jemand über dich und deinen ungehobelten Freund
gewacht hätte. Nicht nach dem, was du getan hast.« Wieder vollführte sein Schwert eine Folge rasender Bewegungen, die so schnell waren, dass das Auge eines normalen Menschen sie wohl nur als ein
flackerndes Aufblitzen von Lichtreflexen wahrgenommen hätte.
Dennoch sah Andrej, dass er sich noch immer zurückhielt. Was wie
kindliche Angeberei aussah, diente in Wahrheit keinem anderen
Zweck, ihn über die wahre Schnelligkeit und Stärke seines Gegners
zu täuschen.
»Ich verstehe nicht, wovon du redest«, behauptete Andrej. Gleichzeitig bewegte er sich ganz sachte nach links, erstarrte aber sofort
wieder, als er eine Bewegung aus den Augenwinkeln wahrnahm. Der
andere war nicht allein gekommen. Natürlich nicht.
»Du enttäuschst mich schon wieder, Andrej«, seufzte der Vampyr.
»Du bist so leicht zu durchschauen. Aber gut, wenn du darauf bestehst…« Er blieb stehen, senkte sein Schwert und wandte sich halb
zu von Salm um, wobei er - scheinbar unabsichtlich - seine Deckung
öffnete und sich eine Blöße gab. Andrej verzichtete jedoch darauf,
die vermeintliche Chance zu nutzen und ihn anzugreifen. Die Falle
wäre selbst für einen sehr viel weniger erfahrenen Krieger als ihn zu
offensichtlich gewesen.
»Also gut, mein lieber Graf. Mein alter Freund und Mentor möchte
offenbar, dass Ihr es aus meinem Mund hört. So sei es. Andrej ist
zwar einer von uns, aber er hat sich schon vor langer Zeit von unserer Sache losgesagt und entschieden, eigene Wege zu gehen.«
»Eure Sache war niemals meine Sache«, sagte Andrej betont. »Ich
brauchte mich von nichts loszusagen. Ich habe niemals das Bedürfnis
verspürt, anderen das Leben zu stehlen.«
»Hast du deshalb eine ganze Sippe deiner eigenen Art ausgelöscht?«, fragte der Unsterbliche und schüttelte den Kopf. »Gib dir
keine Mühe, Andrej. Der gute Graf hat wohl mittlerweile begriffen,
dass du und dein närrischer Freund die guten Vampyre sind. Nur
schade, dass er es niemandem mehr verraten kann.«
Die Einschätzung seines Gegners schien richtig gewesen zu sein. Er
war gefährlich. Sein Angriff erfolgte so schnell, dass selbst Andrej
die Bewegung kaum sah. Dennoch bereitete es ihm keine allzu große
Mühe, die Klinge beiseite zu schlagen und mit einem hastigen
Sprung zurückzuweichen. Der andere verzichtete darauf, ihm nachzusetzen, sondern begann ihn mit langsamen, wiegenden Schritten zu
umkreisen. Seine Bewegungen zeugten von ebenso großer Kraft wie
Schnelligkeit, aber sie verrieten Andrej auch noch eine Menge mehr
über seinen Gegner. Den Unsterblichen zu unterschätzen, wäre sicher
ein tödlicher Fehler, aber er war mittlerweile auch zuversichtlich,
ihm gewachsen zu sein.
Der Vampyr griff erneut ohne jede Warnung an, und seine ersten
drei, vier Hiebe kamen so schnell, dass Andrej sie nur noch mit Mühe parieren konnte. Doch mit jedem Schlag, den er abwehrte oder
dem er auswich, erkannte er das Muster in den Bewegungen seines
Gegners deutlicher. Der andere kämpfte gut, wirklich gut, und sehr
schnell. Doch Andrej war um die entscheidende
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