Die Wiederkehr
Gelegenheit gefunden hatte, sich zu erholen. Andrej erschlug mindestens fünf
oder sechs weitere Untote, was ihre Zahl aber kaum entscheidend zu
verringern schien. Schon bald kämpften sie in einem Kreis aus vermoderten Leichen, wie zwei grässliche Gladiatoren, die in einem
höllischen Zirkus gefangen waren.
Irgendwann begriff Andrej, dass er diesen Kampf verlieren würde.
Das Spiel wurde nach Regeln gespielt, die nicht fair waren. Der andere bediente sich nach Belieben der Energien, die er seinen eigenen
Kreaturen entnahm - auch derer, die Andrej erschlug -, während seine eigenen Kräfte langsam, aber unerbittlich versiegten. Das Schwert
in seiner Hand schien mit jedem Hieb um eine Winzigkeit schwerer
zu werden, seine Bewegungen mit jedem Schritt, den er machte, ein
kleines bisschen langsamer. Der andere würde ihn zermürben, und es
spielte keine Rolle, wie weit Andrej ihm überlegen war. »Warum
bringst du es nicht zu Ende?«, keuchte er. »Genießt du es so sehr,
mich zu quälen?«
»Aber Andrej, ich bitte dich«, lachte der andere und täuschte einen
geraden Stich in Andrejs Brust vor, dem dieser ebenso mühelos auswich wie dem nachgesetzten, tatsächlichen Angriff. »Ich habe ein
halbes Jahrhundert auf diesen Moment gewartet. Da wirst du doch
Verständnis dafür haben, dass ich ihn möglichst lange auskosten will,
oder?«
Andrej täuschte seinerseits einen Hieb vor, duckte sich unter dem
Konter des anderen und setzte einen Stich in den Oberarm des Vampyrs, musste sich dann aber hastig in Sicherheit bringen, um nicht
selbst getroffen zu werden, als der andere unverzüglich zurückschlug. Sie fochten beide meisterlich, doch auf völlig unterschiedliche Weise. Andrej setzte auf Schnelligkeit und Geschick und versuchte, seinen Gegner möglichst oft zu verwunden, ohne selbst getroffen zu werden, während der andere eher auf Abu Duns Art
kämpfte: Er scherte sich nicht darum, ob er verletzt wurde oder nicht,
und achtete nur darauf, sich keine tödliche Verwundung einzuhandeln, eine Taktik, die einem Unsterblichen möglicherweise gut zu
Gesicht stand, vor der Andrej Abu Dun aber immer wieder gewarnt
hatte und die er sich selbst niemals zu Eigen gemacht hätte.
Andrej wartete, bis der Vampyr das nächste Mal angriff, und jetzt
versuchte er nicht mehr, den Stich zu parieren oder ihm auch nur
auszuweichen. Er drehte sich leicht zur Seite, sodass die Klinge nicht
seinen Hals durchbohrte, sondern sich nur tief in seinen Oberarmmuskel grub, und führte gleichzeitig einen eigenen, geraden Stich
nach dem Herzen des Vampyrs aus.
Jedenfalls versuchte er es.
Der Schmerz explodierte mit so grausamer Wucht in seiner Schulter, dass Andrej mit einem gellenden Schrei zurücktaumelte und sein
Schwert fallen ließ. Er stolperte, fiel auf den Rücken und krümmte
sich. Etwas schien seine Schulter von innen heraus zerreißen zu wollen, und von der Wunde ausgehend rasten glühende Linien in seinen
ganzen Körper. Aus den roten Flammen vor seinen Augen wurde
Schwärze, die sich lautlos und schnell wie ein Tintenfleck auf altem
Pergament in seinen Gedanken ausbreitete, und ihn in einen dunklen,
unendlich verlockenden Abgrund hinabzureißen drohte. Nur unter
Aufbietung all seiner Kräfte gelang es Andrej, die Dunkelheit zurückzudrängen und die Augen wieder zu öffnen.
Der Vampyr stand breitbeinig über ihm. Die Spitze seines Schwerts
schwebte nur einen Fingerbreit über Andrejs Augen. »Siehst du, alter
Freund«, sagte er kalt. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich dazugelernt habe.«
Andrej wollte antworten, aber seine Stimmbänder verweigerten ihm
den Gehorsam. Der grausame Schmerz in seiner Schulter ebbte allmählich ab, aber er verschwand nicht ganz. Stöhnend drehte er den
Kopf, um seine Schulter zu betrachten. Die Wunde war nicht einmal
besonders tief, aber sie blutete heftig. Es sah nicht so aus, als würde
sie sich bald schließen. »Warum tötest du mich nicht?«, fragte Andrej mühsam.
»Oh, das werde ich«, antwortete der andere. »Gemach, alter
Freund.« Sein Schwert bewegte sich wie die Zunge einer Giftschlange vor Andrejs Gesicht hin und her. »Aber so leicht werde ich es dir
nicht machen. Dabei bin ich noch gnädig, um der alten Zeiten willen. Mich haben sie monatelang gefoltert, nachdem du mich diesen Teufeln übergeben hast, alter Freund.«
Das Schwert schlitzte Andrejs Wange auf. Diesmal war der
Schmerz so grausam, dass Andrej das Bewusstsein verlor. Als er
wieder zu sich kam, hockte
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