Die Wiederkehrer
anstatt das Geschenk anzunehmen.
Niko rutschte vom Tisch und folgte Bernd in die Küche, stellte sich neben ihn und griff nach der für ihn bereitstehenden Coke. Das war jetzt genau das Richtige! Bernd drehte sich um, lehnte sich mit dem Hintern gegen die Arbeitsfläche und zupfte eine Zigarette aus der Packung.
„Wegen dem Gedicht …“, begann Niko und betrachtete Bernds schöne Hände, die mit dem Feuerzeug hantierten. Bernd sog genüsslich am Glimmstängel, stieß gemächlich den blauen Rauch aus und wandte sich dann Niko zu. „Was du da über das Schweigen geschrieben hast … beziehungsweise meine Reaktion darauf … Stimmt das? Ich meine … bist du da …
verloren gegangen?“
Bernd seufzte, ließ den Blick durch den Raum wandern und biss sich auf die Lippen. „Ich meine … ich wollte nicht … ich wusste nicht …“, stammelte Niko.
„Können wir über etwas anderes sprechen?“, unterbrach Bernd ihn schroff. Niko zuckte zurück. Autsch! In seinem alten Leben hatte sich Niko emotional ausgeknipst, nichts mehr an sich rangelassen. Schroffe Töne nicht, und alles andere auch nicht. Er hatte sich tot gestellt. Doch das ging nicht mehr – er wollte es nicht mehr. Er fand das neue Leben trotz seiner Schwierigkeiten zu schön, um es wie durch einen dichten Nebel wahrzunehmen. Der Preis dafür war jedoch, dass es verdammt wehtat, wenn Bernd ihn auch nur schief anschaute.
„Was ist denn?“, fragte dieser mit sanfter Stimme, als er merkte, wie verletzt Niko wirkte.
„Ich wollte nur wissen, was ich falsch gemacht habe, letztes Mal. Ich habe Angst, es wieder zu tun“, gestand Niko leise.
„Und wie?“, fragte Bernd provokativ. Niko starrte ihn irritiert an. „Wie willst du dafür sorgen, dass du es nie wieder tust? Was … wenn es etwas wäre, das du brauchst? Würdest du dich verstellen? Das Bedürfnis ignorieren? Lügen?“
„Nein, ich …“ Niko schluckte. Verdammt, Bernd hatte recht. Er würde sich verbiegen. Schon wieder. Niko senkte den Kopf.
„Niko, vielleicht hat es mit dir nichts zu tun … wie willst du dich darauf einstellen? Und
wenn
es mit dir zu tun hätte, dann möchte ich nicht, dass deine Reaktion diese ist, dich einfach zu verdrehen“, erklärte Bernd und strich mit einer Hand sanft über Nikos Wange.
„Und …
hat
es nun mit mir zu tun?“, wollte Niko wissen.
„Ja und nein“, gestand Bernd.
„Ich will es wissen, sag es mir“, bat Niko. Bernd schnaubte.
„Lass es sein, Niko! Wir leben im Hier und Jetzt, lass uns
daraus
das Beste machen!“
„Also hat es mit dem alten Leben zu tun?“, blieb Niko hartnäckig. Bernd funkelte ihn ungehalten an und seufzte.
„Das macht alles kaputt. Willst du das, Niko? Willst du das hier beenden, noch ehe es richtig begonnen hat?“, fragte Bernd und verschränkte die Arme. Die Zigarette zwischen die Finger geklemmt, kratzte er sich mit dem Daumen über die Stirn.
„Wieso denkst du, dass es alles kaputt macht?“, wollte Niko wissen. „Ich möchte mit dir über alles reden und ich will alles von dir erfahren.“ Bernd lachte zynisch auf und schüttelte den Kopf.
„Vergiss es!“, meinte er, „Das willst du
definitiv
nicht!“
„Was auch immer, es ist …“, begann Niko.
„Du erträgst schon mein Schweigen nicht, wie willst du dann mein Reden ertragen?“, blökte Bernd ihn auf einmal wütend an, drückte die Zigarette aus und verließ die Küche, um sich im Wohnzimmer anzuziehen.
Niko hatte das Gefühl, ein Intercity brause durch seinen Schädel. Ihm wurde schwindlig. Niko hatte Bernd nur zurückgelassen, weil er geschwiegen hatte! Der Mann hatte recht. Niko war nicht gut darin, mit Lebensbeichten anderer Leute umzugehen. Würde das anders sein, wenn Bernd redete? Würde er dann auch an nichts weiter als Flucht denken können? Ja, er hatte sich bereits vom Schweigen abschrecken lassen. Aber hatte er Bernd nicht auch die Chance gegeben, ihn aufzuhalten?
Bernd betrat, wieder voll bekleidet, die Küche und musterte den splitternackten Niko, der noch immer wie gelähmt dastand. Die Härte wich aus Bernds Gesicht, er stellte sich dicht vor Niko hin und legte eine Hand sanft auf dessen Arm.
„Niko … ich hatte in meinem alten Leben keine Beziehungen – und das hatte einen guten Grund. In
diesem
Leben will ich es anders machen, besser. Ich habe mir gewünscht, mich zu verlieben, und …“, Bernd stockte, „… das ist alles neu für mich, unbekannt. Ich meine … ich
will
das … ich will
dich
…
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