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Die Wildrose

Die Wildrose

Titel: Die Wildrose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Donnelly
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kannten. Es war hart, ermüdend und unbeschreiblich schön. Zudem grauenvoll kalt. Unter Fellen, eng aneinandergeschmiegt, schliefen sie in einem Zelt, um sich warm zu halten. In der dritten Nacht sagte er ihr, dass er sie liebe. Sie lachte und wandte sich verärgert ab. Er hatte es ehrlich gemeint und fühlte sich von ihrer Ablehnung tief gekränkt in seinem Stolz.
    »Tut mir leid«, sagte sie und legte die Hand auf seinen Rücken. »Tut mir leid, ich kann nicht …«
    Er fragte, ob es jemand anderen gebe, was sie bejahte, dann nahm sie ihn in die Arme. Um ihm Trost, Wärme und Lust zu schenken – aber nicht aus Liebe. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass ihm das Herz gebrochen wurde.
    Drei Wochen zuvor waren sie in Rongbuk, einem öden tibetanischen Dorf am Fuß des Everest, angekommen, wo sie lebte. Dort warteten sie, während die Frau, die über gute Verbindungen verfügte, ihren Einfluss nutzte, um ihm Papiere von tibetanischen Behörden zu beschaffen, die ihm gestatteten, Lhasa zu betreten. Er wohnte in ihrem Haus – einem kleinen, weiß gekalkten Steingebäude mit einem noch kleineren Anbau für ihre Tiere.
    Einmal beobachtete er, wie sie zu klettern probierte. Die Kamera auf den Rücken geschnallt, versuchte sie, einen Gletscherhang hinaufzukommen. Aber irgendwann hielt sie inne und bewegte sich ganze zehn Minuten lang nicht mehr. Er konnte sehen, wie sie mit sich kämpfte. »Hol dich der Teufel!«, schrie sie plötzlich. »Hol dich der Teufel! Verdammt!«, und er befürchtete schon, sie würde eine Lawine auslösen. Wen schrie sie an?, fragte er sich. Den Berg? Sich selbst? Jemand anderen?
    Schließlich trafen seine Papiere ein. Am Tag danach verließen sie Rongbuk mit einem Zelt und fünf Yaks. Gestern hatten sie die Außenbezirke von Lhasa erreicht. Es war ihr letzter gemeinsamer Tag. Die letzte gemeinsame Nacht. In ein paar Stunden würde er allein in die heilige Stadt einziehen. Er hatte vor, ein paar Monate zu bleiben, Lhasa und seine Bewohner zu studieren und Fotos zu machen, während er versuchte, eine Audienz beim Dalai Lama zu bekommen. Wie gering die Chancen dafür waren, wusste er. Der Dalai Lama tolerierte nur eine westliche Person – die Frau. Es hieß, gelegentlich würden sie gemeinsam trinken, singen und sich unzüchtige Geschichten erzählen. Diesmal jedoch würde sie nicht mit nach Lhasa kommen. Sie wollte nach Rongbuk zurück.
    Als Max jetzt im kalten Morgengrauen aufstand, fragte er sich, ob er sie je wiedersehen würde. Er zog sich schnell an, packte ein paar Sachen in seinen Rucksack und verließ das Zelt. Vier Yaks – Geschenke für den Gouverneur von Lhasa –, deren Atem weiß in der Morgenluft stand, stampften und schnaubten, aber die Frau war nirgendwo zu sehen.
    Er blickte sich um und entdeckte sie schließlich auf einem vorstehenden Felsen, wo sich ihre Silhouette vor dem Morgenhimmel abzeichnete. Still und einsam saß sie da, ein Knie an die Brust gedrückt, das Gesicht zu den verblassenden Sternen erhoben. Jetzt würde er sie verlassen. Mit dem anbrechenden Tag. Für immer mit diesem Bild in sich.
    » Namaste , Willa Alden«, flüsterte er und berührte seine Stirn mit gefalteten Händen. »Namaste.«

Erster Teil
    März 1914
    London

   1   
    T ante Eddie, halt! Du kannst da nicht reingehen!«
    Seamus Finnegan lag nackt, der Länge nach ausgestreckt, auf seinem Bett und öffnete ein Auge. Er kannte diese Stimme. Sie gehörte Albie Alden, seinem besten Freund.
    »Um Himmels willen, warum denn nicht?«
    »Weil er schläft! Du kannst nicht einfach zu einem schlafenden Mann reinplatzen. Das gehört sich nicht!«
    »Ach, Blödsinn.«
    Seamie kannte auch diese Stimme. Er setzte sich auf und zog die Bettdecke zum Kinn.
    »Albie! Unternimm was!«, schrie er.
    »Das hab ich versucht, alter Junge. Jetzt bist du auf dich allein gestellt«, rief Albie zurück.
    Eine Sekunde später riss eine kleine, korpulente Frau im Tweedkostüm die Tür auf und begrüßte Seamie mit lauter Stimme. Es war Edwina Hedley, Albies Tante, aber Seamie kannte sie seit seiner frühesten Jugend und nannte sie Tante Eddie. Sie setzte sich aufs Bett, sprang aber sofort wieder hoch, weil jemand aufkreischte. Eine junge Frau, zerzaust und gähnend, tauchte unter den Decken auf.
    Eddie runzelte die Stirn. »Meine Liebe«, sagte sie zu dem Mädchen, »ich hoffe inständig, Sie haben Vorkehrungen getroffen. Ansonsten werden Sie feststellen, dass ein Baby unterwegs ist, während sich der Vater auf dem

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