Die Wildrose
Weg zum Nordpol befindet.«
»Ich dachte, es sei der Südpol«, antwortete die Frau verschlafen.
»Hat er Ihnen von all seinen Kindern erzählt?«, fragte Eddie die junge Frau und senkte die Stimme verschwörerisch.
Seamie setzte zu einem Protest an. »Eddie …«
»Kinder? Was für Kinder?«, fragte die junge Frau, inzwischen nicht mehr verschlafen.
»Sie wissen doch, dass er vier Kinder hat? Alle unehelich. Er schickt den Müttern zwar Geld – er ist ja kein völliger Schuft –, will aber keine von ihnen heiraten. Sie sind natürlich absolut ruiniert. Alles Mädchen aus London. Drei sind aufs Land gezogen, weil sie sich nirgendwo mehr blicken lassen können. Das vierte ging nach Amerika, das arme Ding. Warum, glauben Sie wohl, ist die Sache mit Lady Caroline Wainwright in die Brüche gegangen?«
Das Mädchen, eine hübsche Brünette mit kurzem Pagenkopf, drehte sich zu Seamie um. »Stimmt das?«, fragte sie empört.
»Vollkommen«, warf Eddie ein, bevor Seamie den Mund aufmachen konnte.
Die junge Frau schlang die Daunendecke um sich und stand auf. Sie sammelte ihre Kleider vom Boden auf, stürmte wütend hinaus und knallte die Tür hinter sich zu.
» Vier Kinder, Tante Eddie?«, fragte Seamie, nachdem sie gegangen war. »Das letzte Mal waren es zwei.«
»Das war eine, die nur aufs Geld aus ist«, erwiderte Eddie verächtlich. »Ich habe dich gerade noch gerettet, aber ich werde nicht immer deinen Hals aus der Schlinge ziehen können.«
»Wie schade«, sagte Seamie.
Eddie beugte sich über ihn und küsste ihn auf die Wange. »Es ist schön, dich zu sehen.«
»Finde ich auch. Wie war es in Aleppo?«
»Absolut herrlich! Ich habe in einem Palast gewohnt und mit einem Pascha diniert. Außerdem die unglaublichsten Leute getroffen. Unter anderem einen gewissen Tom Lawrence. Er ist mit mir nach London zurückgereist und wohnt jetzt in meiner Wohnung in Belgravia und …«
Ein schepperndes Geräusch ertönte, als die schwere Haustür zuknallte.
Eddie lächelte. »Nun, mit der wär’s vorbei. Die kriegst du nicht mehr zu Gesicht. Du bist mir vielleicht ein Schürzenjäger. Ich habe übrigens von der Sache mit Lady Caroline erfahren. Ganz London redet davon.«
»Das habe ich gehört.«
Seamie war nach Highgate, in Eddies schönes georgianisches Haus in Cambridge gekommen, um sich von einer kurzen, aber stürmischen Liebesaffäre zu erholen. Lady Caroline Wainwright war eine junge Dame – reich, hübsch und verwöhnt – und gewohnt, alles zu bekommen, was sie wollte. Und sie wollte ihn – als Ehemann. Er hatte ihr erklärt, dass das nie funktionieren würde. Er tauge nicht zum Ehemann. Er sei zu unabhängig. Zu sehr gewohnt, seine eigenen Wege zu gehen. Zu viel auf Reisen. Alles Mögliche hatte er ihr erzählt – nur nicht die Wahrheit.
»Es gibt jemand anderen, nicht wahr?«, hatte Caroline unter Tränen gefragt. »Wer ist es? Sag mir ihren Namen.«
»Es gibt niemanden«, hatte er geantwortet. Was natürlich eine Lüge war. Es gab tatsächlich jemanden. Jemanden, den er vor Langem geliebt – und verloren – hatte. Eine Frau, die ihn für alle anderen verdorben hatte, wie es schien.
Er hatte mit Caroline Schluss gemacht und war dann nach Cambridge geflohen, um sich bei seinem Freund zu verstecken. Er besaß keine eigene Wohnung, und wenn er in England war, pendelte er meistens zwischen Highgate, dem Haus seiner Schwester und verschiedenen Hotels hin und her.
Albie Alden, ein brillanter Physiker, der im King’s College studiert hatte, lebte im Haus seiner Tante. Ständig boten ihm Universitäten in der ganzen Welt Stellen an – Paris, Wien, Berlin, New York –, aber er wollte in Cambridge bleiben. Im langweiligen, verschlafenen Cambridge. Keiner wusste, warum. Seamie jedenfalls nicht. Er hatte ihn oft gefragt, und Albie antwortete jedes Mal, dass es ihm hier am besten gefalle. Es sei ruhig und friedlich – zumindest wenn Seamie nicht da sei –, und das brauche er für seine Arbeit. Und Eddie, die selten zu Hause war, brauche jemanden, der sich um alles kümmere. Die Übereinkunft sei nützlich für sie beide.
»Was ist passiert?«, fragte Eddie jetzt. »Hat dir Lady Caroline das Herz gebrochen? Wollte sie dich nicht heiraten?«
»Nein, sie wollte mich heiraten. Das war das Problem.«
»Hm. Was erwartest du denn? So ist es eben, wenn man ein umwerfender, blendend aussehender Held ist. Die Frauen wollen sich dich eben unter den Nagel reißen.«
»Dreh dich bitte um, damit ich mich
Weitere Kostenlose Bücher