Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
nickte jedoch unter Tränen. Serrashil keuchte auf und wankte zur Seite, weg von Seran. Irgendwie schaffte sie es, sich zu ihm umzudrehen und ihn mit schreckensgeweiteten Augen anzublicken. Wusste er, dass sie ebenfalls die Wahrheit kannte? Wenn ja, stand sie als nächstes auf seiner Liste. Seran würdigte sie jedoch keines Blickes, sondern musterte die Studentin mit hochgezogenen Augenbrauen. Dabei wusste er doch ganz genau, weshalb sie so aufgelöst war!
»Ich werde mich auf die Suche nach ihm begeben«, erklärte Großmeister Undarat, verwandelte sich in seine Adlergestalt und flog aus der Arena.
»Serrashil, was geht hier vor?« Dieses Mal packte Randef sie deutlich gröber am Arm. »Was ist mit Nedrin? Warum sind wir hier?«
Nur mit Mühe gelang es ihr, den Blick von Seran abzuwenden, und sich ihrem Lehrmeister zuzuwenden. »Carath hat mir verraten, wer der Entführer seines Wolfes ist«, stieß sie mit heiserer Stimme hervor.
Randef zog die Augenbrauen zusammen. »Doch nicht etwa Nedrin?«
Serrashil schüttelte wie in Trance ihren Kopf und hob den Arm, bis ihre Hand auf Seran zeigte. Randef folgte ihr mit seinem Blick. In diesem Moment wandte sich Seran zu ihnen um und sah Serrashil direkt in die Augen. Sie taumelte einen Schritt zurück. Ihre Knie drohten nachzugeben und sie merkte, dass sie am ganzen Körper zitterte. Der Utera hob die Augenbrauen und trat einen Schritt auf sie zu.
»Nein!«, schrie sie auf hob die Hände reflexartig abwehrend vor ihren Körper, wie sie es von Kindesbeinen an gelernt hatte. Doch dieser Feind war keiner, den man mit waffenlosen Kampfkünsten besiegen konnte. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Carath fauchend zu ihr springen wollte, doch die Wächter hielten ihn zurück. »Er war es, er hat Caraths Wolf entführt!« Serrashil bebte, doch sie zwang sich, Seran weiterhin anzublicken. Alle sollten es erfahren, die ganze Welt. Es half ihm nichts mehr, wenn er sie tötete, sobald sie ihr Wissen weitergegeben hatte.
Stille machte sich unter den zuvor noch heftig diskutierenden Großmeistern breit. Seran blinzelte, legte den Kopf schief und schnaubte abfällig. »Interessant. Du weißt mehr als ich, Mädchen.«
»Das ist eine sehr gewagte Behauptung«, fand der Großmeister Ophales atemlos seine Stimme wieder. »Kannst du sie auf irgendetwas stützen?«
»Nein!«, fuhr Kie dazwischen. Kreidebleich trat sie zu Serrashil und packte sie am Kragen ihrer Schulkutte. »Das ist nicht wahr! Warum behauptest du das? Seran würde nie so etwas tun!«
Serrashil wehrte sich nicht, als ihre Freundin sie mit Tränen in den Augen durchschüttelte. »Es tut mir leid, Kie. Aber es ist die Wahrheit. Seran, der Mann, den du so sehr bewundert hast, ist ein kaltblütiger Mörder und er hat auch Carath dazu gezwungen, ein Menschenleben zu vernichten. So jemand muss gerichtet werden!«
Mit einem Aufschrei wollte sich Kie gänzlich auf sie stürzen und ihr an die Kehle gehen. Serrashil wollte sie mit einem ihrer gelernten Griffe packen und zu Boden ringen, doch Randef kam ihr zuvor. Es brauchte nur drei gezielte und blitzschnelle Stiche mit den Fingerkuppen und Kie sackte in sich zusammen wie ein Sack Kartoffeln.
Serrashil sah fassungslos auf ihre Freundin hinab. Sie hatte immer angenommen, Kie wäre durch bloße Schwärmereien mit Seran verbunden gewesen, doch dass sie ihn selbst jetzt noch so vehement verteidigte, sprach eine andere Sprache. Sie hatte Kie noch nie derart aufgebracht und sogar handgreiflich erlebt. Es erschrak sie.
Randef winkte einem Wächter, Kie hinauszuschaffen, und wandte sich Serrashil zu. »Bitte beantworte Ophales’ Frage.«
Serrashil nickte zitternd. Es war ein gutes Zeichen, dass sie noch immer am Leben war. Seran schien die Ausweglosigkeit seiner Lage erkannt zu haben. Noch konnte er darüber lachen, aber es würde ihm schon noch vergehen. »Es ist offensichtlich, dass Seran es gewesen ist. Er hat Caraths Aufnahme an die Hohe Schule von Anfang an unterstützt, mir beispielsweise geholfen, den ohnmächtigen Carath wieder aufzupäppeln und im Krankenflügel versorgen zu lassen, obwohl dieser noch kein Student war. Großmeister Nedrin verriet mir, dass Carath Serans Energiespeicher nutzte, um die Kraft für den Anschlag auf Rinartin aufzubringen. Des Weiteren wollte er mir nicht bei der Suche nach Carath helfen, als dieser verschwunden war, stattdessen habe ich die beiden gefunden, wie sie sich bekämpften. Und …« Serrashil hielt inne. »Ich habe miterlebt, wie sich
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