Die Winterchroniken von Heratia 1 - Der Verfluchte (German Edition)
aber ich darf es dir nicht sagen oder überhaupt daran denken.« Apfelkuchen, immer an einen frischgebackenen Apfelkuchen denken. Sie schloss die Augen, bis sie das Bild eines dampfenden Apfelkuchens vor sich hatte.
»Verstehe, es ist also jemand, der Gedankenmagie beherrscht.«
»Nein, es ist Apfelkuchen, verstanden? Apfelkuchen.« Serrashil rieb sich die Schläfen. »Wir müssen alle Studenten in die Hauptarena jagen, wegen dem Apfelkuchen. Jetzt, sofort, sonst wird er kalt, in Ordnung?«
»In der Arena gibt es Apfelkuchen?«, fragte Kie mit großen Augen nach. »Aber warum nicht einfach in der Mensa? Da …«
»Nein, Kie! Es ist wichtig, dass alle Studenten und jeder, den du siehst, in die Hauptarena geht, Apfelkuchen hin oder her. Wenn jemand meckert, sag ihm, dass es eine Anordnung der Großmeister ist.«
»Das ist gut. Ich war immer schon dafür, dass wir einen gemeinsamen Apfelkuchentag einführen.« Gut gelaunt erhob sich Kie und machte sich summend an die Arbeit. Serrashil atmete tief durch und bemühte sich, nicht die Haare zu raufen. Wie konnte man in so einer Situation nur an Apfelkuchen denken?
Die Aufgabe erwies sich als einfacher als erwartet. Die Studenten hatten allesamt nichts zu tun, da sie keinen Unterricht hatten und das Jadefest ausgefallen war, und waren alle begierig darauf, mehr über die Geschehnisse der letzten Tage zu erfahren. Selbst diejenigen, die aus unerklärlichen Gründen glaubten, dass es Apfelkuchen in der Hauptarena gab, folgten dem Ruf bereitwillig. Es sprach sich schnell herum und in weniger als zwei Stunden hatten sich fast alle Studenten der Hohen Schule und auch viele der Abgesandten aus den anderen Ländern in der Arena versammelt. Verschwitzt und mit den Nerven am Ende betrat Serrashil neben einer wie immer hoffnungslos gutgelaunten Kie das Gebäude. Einem Bienenschwarm gleich summten die aufgeregten Gespräche der Studenten auf der Tribüne, während Serrashil und Kie direkt zur Sandfläche in der Mitte gingen.
»Nanu, was machen wir denn hier? Sollten wir nicht lieber zu den anderen Studenten auf die Tribüne gehen?«, fragte Kie verwundert.
»Nein, wir werden hier gebraucht«, erwiderte Serrashil grimmig. Fünf der Großmeister hatten sich im Zentrum des Platzes versammelt, Carath stand mit zwei Wächtern etwas abseits. Die Großmeister wandten sich zu ihnen um, als sie die beiden bemerkten.
»Serrashil«, grüßte Randef sie mit hochgezogenen Augenbrauen. »Kannst du uns erklären, was das alles zu bedeuten hat?«
»Ich weiß jetzt, wer der Drahtzieher hinter dem Attentat auf Rinartin ist.« Serrashil ließ ihren Blick über die Versammelten schweifen. Es fehlten nur noch Nedrin, Seran und …
»Da bin ich. Verzeiht mir die Verspätung.« Der kleinwüchsige Meister Bewaffneter Kampfkünste, Ophales, kam angeschnauft.
In Serrashil zog sich alles zusammen. Jetzt fehlten nur noch Nedrin und Seran. Ihr wurde schwindelig. Hoffentlich hatte Nedrin an Apfelkuchen oder dergleichen gedacht, um Seran durch seine Gedanken nichts von ihrem Vorhaben zu verraten.
»Serrashil? Ist alles in Ordnung mit dir?«, fragte Randef besorgt und berührte sie vorsichtig am Arm. Sie nickte wie in Trance. Hoffentlich steckte Nedrin nicht in Schwierigkeiten.
»Schon wieder ein Theater? Langsam wird es langweilig.«
Serrashil zuckte zusammen, als Seran an ihr vorbei schritt und sich in der Mitte seiner Kollegen aufbaute. Sie tauschte einen Blick mit Randef, der sie mit zusammengekniffenen Augen musterte. Seran hatte seine Hände in seiner schwarzen Robe vergraben und starrte an die Decke der Arena, als sähe er den Kristall dort zum ersten Mal.
Ein Schrei durchriss das Gesumme der Studenten und ließ sie alle herumfahren. Eine junge Frau in der farbenfroh bestickten Robe der Studenten Höherer Wissenschaften rannte ins Zentrum der Arena. Koril, ihr Lehrmeister, ging ihr ein paar Schritte entgegen. Die Studenten verstummten nach und nach und beobachteten das Geschehen in der Arena.
»Eril, was ist geschehen?«
Völlig aufgelöst kam sie bei ihnen an und stürzte geradewegs in Korils Arme, der sie verdutzt und ein wenig ungelenk auffing. Ihre Wangen waren gerötet, ihr blondes Haar zerzaust und Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie schluchzte hemmungslos und krallte ihre Hände in seine Robe.
Serrashils Herz schlug ihr bis zum Hals. Ihre Kehle war wie ausgetrocknet, dennoch schaffte sie es, hervorzuwürgen: »Nedrin?« Die Studentin unterbrach ihr verzweifeltes Schluchzen nicht,
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