Die wir am meisten lieben - Roman
ich war es.«
»Danny, hör zu –«
»Ich habe es getan, Dad. Ich hatte es darauf angelegt.«
Irgendetwas hätte er wahrscheinlich sagen müssen, aber Tom wusste nicht, was. Er zog Danny, der schluchzte, an sich und strich ihm übers Haar. Er hatte keine Ahnung, wie lange sie so saßen. Ein bleicher Halbmond stieg über die Berggipfel an der Biegung des Flusses, und das Feuer verglühte.
»Ich werde dir jetzt etwas verraten«, sagte Tom sanft.
»Was?«
»Etwas über deine Großmutter und was wirklich mit ihr passiert ist.«
|341| NEUNUNDZWANZIG
Nachdem Diane das Telegramm erhalten hatte, rief sie sofort in London an. Julian Baverstock sagte, ihr Vater liege im Queen-Elizabeth-Krankenhaus in Birmingham, Kehlkopf- und Lungenkrebs, zu weit fortgeschritten für eine Behandlung. Die Ärzte gaben ihm noch zwei Wochen.
Cal erledigte ein paar Anrufe. Der schnellste Weg zurück war mit dem Zug nach San Francisco und von dort mit dem Flugzeug nach London. Erst als sie die Koffer packten, fielen Diane die Pässe ein. Die lagen in Rays Safe in Los Angeles. Sie verfluchte sich dafür, so eine Närrin gewesen zu sein, aber sie brach nicht in Panik aus. Sie müssten lediglich nach L. A. fahren, die Pässe holen und dann wie geplant nach England fliegen.
Jahre später erzählte Cal, er habe versucht, Diane zu überreden, sie zu begleiten. Er konnte sich nicht verzeihen, nicht darauf bestanden zu haben. Aber Diane wirkte gefasst und unnachgiebig. Sie wollte Ray nicht anrufen, für den Fall, dass er anfing, Spielchen zu spielen. Es war besser, einfach nur aufzutauchen. Wenn Ray da war, würde sie mit ihm fertig werden. Wenn er nicht da war (und sie würde es so planen), hatte sie einen Schlüssel und kannte die Kombination für den Safe.
Der Abschied von Cal am Zug in Choteau fiel schwer. Diane und Tommy mussten ihm versprechen, bald zurückzukehren. Er stand auf dem Bahnsteig und winkte dem abfahrenden Zug mit dem Hut nach. Sie lehnten sich aus dem Fenster und winkten, bis er nur noch ein kleiner, schwarzer Punkt im Schnee war.
Die Reise mit dem Zug dauerte nicht so lange wie mit dem Auto. Tommy kam sie trotzdem ewig vor. Sie aßen, schliefen, |342| lasen ihre Bücher und starrten schweigend in die Landschaft, die mit jeder Stunde rauer und dürrer wurde. Keine Spiele, kein Gesang wie auf ihrer Hinreise vor acht Monaten. Und nicht nur, weil sie an Arthur dachten. Eine unendliche Traurigkeit überkam sie, weil sie Cal verlassen mussten.
»Werdet ihr heiraten, du und Cal?«
»Ach, Tommy, ich weiß es nicht. Er hat mich nicht gefragt. Außerdem bin ich noch mit Ray verheiratet.«
Diane lächelte und streichelte sein Haar.
»Mit jedem Tag klingst du mehr wie ein amerikanischer Junge. Ja, ich werde mich scheiden lassen. Würde es dir gefallen, wenn Cal und ich heiraten?«
»Machst du Witze? Natürlich.«
»Dann werden wir es vielleicht eines Tages tun.«
»Leben wir dann für immer in Montana?«
»Warum nicht?«
Als der Zug in die Union Station einfuhr, schlief Tommy. Diane weckte ihn. Für einen Moment hielt er sie für eine Fremde. Sie hatte ein Kopftuch umgebunden und trug eine Sonnenbrille, damit sie nicht erkannt wurde. Ein Träger lud ihr Gepäck auf einen Wagen, sie folgten ihm durch die Bahnhofshalle und zu einem Taxi. Es war später Nachmittag. Noch verschlafen betrachtete Tommy die manikürten Straßen, die Palmenalleen, die eleganten Häuser mit ihren perfekten Rasenflächen, die Sprenger, die im letzten Sonnenlicht Regenbogen zauberten. Er fragte sich, warum ihn dieser Ort so beeindruckt hatte, denn es gab hier nichts, das echt war.
Das Tor zur Einfahrt stand offen. Sie näherten sich dem Haus und dem Pferd aus Bronze. Kein Auto, nicht ein Lebenszeichen. Diane bat den Taxifahrer zu warten. Tommy sollte im Taxi sitzen bleiben. Sie nahm die Schlüssel aus der Handtasche und sagte, es dauere nicht lange. Einen Moment stand sie lauschend da, dann steckte sie den Schlüssel ins Schloss.
|343| Sie war vielleicht zwei Minuten fort, als Tommy ein Auto auf die Einfahrt rauschen hörte. Er drehte sich um. Sein Herz blieb fast stehen. Ray in seinem Cadillac. Er wunderte sich über das Taxi und parkte dahinter. Tommy wandte sich um, kauerte sich auf den Rücksitz und sah, dass der Taxifahrer in den Rückspiegel blickte. Ray stieg aus seinem Wagen und schlenderte langsam zur hinteren Tür des Taxis, spähte durch die Scheibe. Er war ganz in Schwarz gekleidet und trug trotz der Dämmerung eine Sonnenbrille. Er musste
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