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Die Witzekiste

Die Witzekiste

Titel: Die Witzekiste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lentz
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Obrigkeit gewöhnten Deutschen leichter, sich auf die neue Situation einzustellen. Es blieb, wie man scherzte, »alles beim Alten«. Und es gab den Spruch:

    »Der liebe Gott ahnt es, der Kanzler weiß es, und das Volk geht es nichts an.«

    Nach der sensationell gewonnenen Fußball-Weltmeisterschaft 1954 kamen Fußballerwitze auf, die der »Wir-sind-wieder-wer«-Euphorie entgegenwirkten. Manche Deutsche taten ja so, als hätten sie eine Art neuen Krieg gewonnen und als Verlierer nun endlich gesiegt.
    Bundestrainer Herberger sagt zu Adenauer: »Sie haben mich mit Ihrem Hinweis auf die Außenpolitik überzeugt. So etwas wie die Weltmeisterschaft soll nicht wieder vorkommen!« Die deutsche Mannschaft hatte 1954 das Endspiel in Bern gegen den hohen Favoriten Ungarn mit 3:2 gewonnen. 2:0 führten die Ungarn schon nach neun Minuten, und alles sah nach einer Katastrophe wie im vorherigen Spiel aus, das die Deutschen 3:8 verloren hatten. Aber nach 18 Minuten stand es 2:2. Und Helmut Rahn, den Schützen des Siegtores in der 84. Minute, kannte danach ganz Deutschland. Den Torwart Toni Turek feierte der Radio-Reporter Herbert Zimmermann mit sich überschlagender Stimme: »Toni, du bist ein Fußballgott!« Gott hatte einen schwierigen Ball gefangen.
    Die zu jeder Zeit beliebten Dummenwitze zielten jetzt auf Fußballer.

    Ein durch die Weltmeisterschaft populär gewordener Spieler wird nach dem Besuch einer Kunstausstellung gefragt: »Was denken Sie denn über Toulouse-Lautrec?«
    »Och« , antwortet der, »ich tippe 2:1.«

    Derselbe Spieler wird zu einer Literatur-Veranstaltung eingeladen. Ein Reporter fragt ihn hinterher: »Was halten Sie denn von Rainer Maria Rilke?«
    »Och« , antwortet der, »die sind alle drei in Ordnung!«

    Fußball war jedoch zu beliebt, als dass die Balltreter jene Opferrolle hätten übernehmen können, die später den beschränkten Ostfriesen und anderen angeblich Beschränkten zugewiesen wurde.
    Die Fußballweltmeisterschaft machte auch das Fernsehen bekannt. Das gab es schon seit Weihnachten 1952, zunächst mit nur einem Programm, aber nur wenige Leute konnten es sich leisten. 4 000 waren es zu diesem Zeitpunkt. Während der Fußballspiele füllten sich jedoch die Kneipen, in denen schon Fernsehapparate standen.Die Menschen starrten fasziniert auf das helle Rechteck in der Ecke, ohne oft mehr als Schatten auf hellen Flächen zu erkennen. Damals hieß es:

    »Wenn man die Augen zumacht, ist Fernsehen fast so schön wie Radio.«

    Auch vor den Schaufenstern von Radiogeschäften, in denen Fernsehprogramme über ausgestellte Geräte schwarz-weiß auf die Straße flimmerten, drängelten sich die Zuschauer über Stunden. Fußball und Fernsehen gingen zum ersten Mal eine Liaison ein.
    Kurze Zeit danach, im Oktober, wurde im mittlerweile attraktiven 1. Programm die tägliche Tagesschau eingeführt. Im April 1955 zählte die ARD schon 100 000 Fernsehteilnehmer. In Bonn witzelte man mit Blick auf Adenauer:

    »Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten fern.«

    Die Deutschen wirkten etwas müde in dieser Zeit, überall werkelten die Menschen am Wiederaufbau, hämmerten, sägten, klopften. Die Arbeitswoche dauerte noch fünfzig Stunden, schloss den Samstag mit ein, und Streik war fast unbekannt. Die Menschen verdienten wenig Geld für harte Arbeit, aber es war viel wert.
    Abends in den Kneipen träumten die Gäste dann von angeblich guten alten Zeiten, versuchten die Katastrophe des Krieges zu verdrängen, schunkelten und sangen rheinische Lieder. »Wer soll das bezahlen«, fragten die Kölner 1950 in einem Karnevalsschlager.

    »Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt?
    Wer hat so viel Pinkepinke, wer hat so viel Geld?«

    Es blieb lange Zeit bundesweit eine der populärsten Schunkelweisen. Besserer Alkohol als selbstgebrannte Kartoffelschnäpse hoben inzwischen die Stimmung. Alkoholwitze gehörten auch dazu.

    »Was hast du denn mit deiner Hand gemacht?«, fragt die Frau ihren spät heimkehrenden Mann. Der lallt: »Als wir aus der Kneipe gingen, da hat mir doch so ’n besoffener Idiot auf die Hand getreten!«

    In den späten fünfziger Jahren, als sich der Wohlstand bei einigen Mitbürgern schon häuslich eingerichtet hatte, hörten wir folgende Geschichte:

    Ein militanter Gegner von Alkohol und Nikotin versucht es mit einer Kampagne. Er hat sich vor einer Kneipe aufgebaut und fragt jeden, der herauskommt, wie viel Geld er an diesem Abend vertrunken und verraucht hat. Ein etwas beleibter Herr mit Zigarre

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