Die Witzekiste
Filme waren verlässlich jugendfrei. Dann folgte Italien als heißbegehrtes Urlaubsziel. René Carol besang den ›Hafen von Adano‹. ›Zwei kleine Italiener‹ und immer noch die ›Caprifischer‹ tönten aus dem Radio, Vico Torriani wurde mit italienischen Liedern ein gefeierter Star. Auch Adenauer spielte Boccia in der italienischen Schweiz, in Cadenabbia; Italiener zogen als Gastarbeiter über die Alpen nach Deutschland; die ersten italienischen Restaurants stellten ihre Pizzaöfen auf.
Die Volkshochschulen begannen mit ihrer Bildungsarbeit. Einer , der davon profitiert hat, fragt einen Arbeitskollegen: »Weißt du eigentlich, wer Schiller ist?«
»Nein.«
»Das war einer der größten deutschen Dichter! Und weißt du, wer Storm ist?«
»Keine Ahnung.«
»Das war auch ein deutschen Dichter, der hat ganz tolle Geschichten über das Meer geschrieben!«
Da fragt der Arbeitskollege zurück: »Weißt du denn, wer Alvari ist?«
»Nein« , antwortet der Bildungsbeflissene, »aber das kriegen wir bestimmt noch auf der Volkshochschule!«
»Das glaube ich kaum« , versichert der Kollege, »das ist nämlich der italienische Gastarbeiter, der immer zu deiner Frau kommt, wenn du in der Volkshochschule bist.«
Die Lufthansa durfte 1955 wieder fliegen. Neue Witze reisten mit.
In Köln erzählte man die Geschichte vom Tünnes, der nach Mailand fährt und dort im Dom unter anderem auch beichten will. Er betrachtet die Beichtstühle, an denen jeweils steht, welche Sprache darin erwünscht ist. Tünnes kniet in einem dunklen Viereck nieder, über dem er das Wort »Deutsch« liest . Er beginnt:
»Sinjore …«
Der Priester unterbricht ihn: »Wenn Sie italienisch beichten wollen, müssen Sie in einen anderen Beichtstuhl gehen.«
Unbeirrt fährt Tünnes fort: »Sinjore …«
Der Priester reagiert ärgerlich: »Ich sage Ihnen doch, wenn Sie italienisch beichten wollen, müssen Sie den Beichtstuhl wechseln!«
»Nun losse Se mich doch mal usrede« , kontert der Tünnes, »sin Johre her, dass ich dat letzte Mal gebicht han …« (gebeichtet habe)
Mit der Reisewelle wurde der Witz internationaler. Schon die Besatzungstruppen hatten ja andere Witze weitergegeben. Neue Irrenwitze,die oft so irre gar nicht waren, reisten um die Welt. Zum Beispiel:
Zwei Männer bestaunen einen Regenbogen. Sagt der eine zum andern: »Guck dir das an! Dafür haben sie Geld. Aber uns studieren lassen …«
Warum das nicht irre ist? Weil so bei uns bis heute fast jeder redet, der vom Staat Geld haben will.
Neben dem Eingang der Anstalt steht einer im Anzug unter der Dusche und hat den Schirm aufgespannt.
»Was machst du denn da?«, fragt seine Mutter, die zu Besuch kommt.
Der Mann unter der Dusche antwortet: »Ich habe heute mein Handtuch vergessen, Mama.«
Der Insasse einer Anstalt sieht durch das Hofgitter auf die Straße. Dort fegt ein junger Mann Pferdeäpfel zusammen und legt sie dann in einen Korb.
»Was machen Sie da?«
»Mein Vater tut das auf den Rhabarber« , erklärt der Sammler.
»Dann kommen Sie doch besser zu uns, wir kriegen Vanillesauce auf unseren!«
Apropos Pferd. Es wurde damals auch ein Witz verbreitet, der die Redensart »Erzähl mir doch nichts vom Pferd« vulgär aufbereitete.
Eine Frau kommt zum Arzt und klagt: »Herr Doktor, ich brauche Ihre Hilfe!«
»Wieso?« , fragt der, »Sie sehen doch ganz gesund aus.«
»Ja , aber gucken Sie mal genau hin: Ich sehe doch einem Pferd immer ähnlicher.«
Der Arzt betrachtet die Frau aufmerksam und sagt: »Wahrhaftig , Sie haben recht: diese buschigen Haare, die Ihnen in die Stirn fallen, die Lippen sind ganz wulstig, und auch Ihre Zähne sind so gelb und groß. Wie bei einem Pferd.«
»Deswegen bitte ich Sie ja um Hilfe. Was kann ich tun?«
Der Arzt schüttelt traurig den Kopf. »Das schaffe ich nicht, da versagt selbst meine ärztliche Kunst.«
»Können Sie denn gar nichts für mich tun?«
Der Arzt überlegt: »Es gibt eine Möglichkeit« , sagt er schließlich, »ich kann Ihnen ein Rezept schreiben, damit Sie auf die Straße scheißen dürfen.«
Der Witz zieht Geschmacksgrenzen immer etwas weiter, als es normale Gespräche erlauben. Wenn man das schlimme Wort jedoch mit drei Pünktchen schreiben würde, verlöre dieser Witz seine Pointe.
Der sogenannte skatologische Witz, der »Latrinenhumor«, geriet mit dem Aufblühen der Hygiene fast in Verruf. Nur unter Kindern ist alles, was mit Exkrementen zu tun hat, ein wichtiger Teil des Witz-Repertoires
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