Die Wohltäter: Roman (German Edition)
dies eine schlechte Idee wäre.
»Ich habe kein Lithium genommen. Ich hatte nur einen alten Reservekarton dabei.«
Tuva sprach plötzlich mit schwacher Stimme. Alle Blicke richteten sich nun auf sie. Es schien, als wäre sie von den Halbtoten zurückgekehrt, mit rotgeäderten Augen, die nur halb geöffnet waren, ihr Mund bewegte sich schleppend, und wirre Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht.
»Ich bin mir sicher. Öffnen Sie selbst das Paket und sehen nach«, sagte sie langsam. Ninos hatte den Karton bereits aufgerissen und zog zwei unberührte Blister hervor, die er den anderen zeigte.
»Aber was stimmt dann nicht mit dir?«, fragte Ninos laut.
»Vermutlich ist sie einfach nur völlig erschöpft«, sagte Sofia. Dann seufzte sie erleichtert. »Es wurde ihr zu viel. Das Mädchen hat einen Schwächeanfall erlitten, glaube ich.« Sofia strich Tuva über die Wange.
Sie saßen schweigend auf dem Boden. Die Freiwilligen hatten sich in einem Kreis um sie herum versammelt.
Tuva hob den Kopf und suchte Leifs Blick. Er erwiderte ihren Blick mit Abscheu und wandte sich dann zum Fenster.
Zoran pikste ihn ein wenig mit der Pistolenmündung in die Schläfe. »Wir haben eine Mitteilung an deinen Chef. Diese Person, die alles Mögliche tun würde, um unseren Bruder Ninos zu erledigen. Grüße sie und richte ihr aus, dass wir euch erledigen werden. Einen nach dem anderen. Wenn ihr jetzt nicht aufhört.« Er zog den Pistolenlauf zurück, durch Leifs Haar. »Sag, dass du das kapiert hast.«
Leif nickte mit trockenen Lippen.
Matay hatte Marius an den Haaren hochgezogen und ihm etwas ins Ohr geflüstert, das Ninos nicht hören konnte, Marius’ angespannter Miene nach zu urteilen, hatte Matay ihm jedoch gerade erklärt, welche Schwierigkeiten er mit Männern hatte, die Frauen angriffen.
»Hier, die könnt ihr haben«, sagte Ninos und zog ein zerknülltes Exemplar der Morgenzeitung aus einer seiner Taschen am Hosenbein. Er breitete sie vor den anderen Freiwilligen auf dem Boden aus.
»Ihr habt ja eben selbst gesehen, was hier passiert ist. Wenn ihr uns allerdings immer noch nicht glaubt, könnt ihr ja überlegen, warum die schwedische Regierung und unabhängige Stiftungen mit eurer Organisation gebrochen haben. Bittet jemanden, euch diese Artikel zu übersetzen. Oder lest einfach nur das, was im Herald Tribune stand. Außerdem soll ich euch Grüße von eurem geliebten Oberhaupt ausrichten.« Er sah in die Runde. »Zuletzt habe ich ihn auf dem Weg nach Zimbabwe getroffen, in seiner G5. Das ist ein Flugzeug mit zwei Rolls-Royce-Motoren. Was glaubt ihr wohl, wie viele Ansichtskarten ihr verkaufen müsstet, um das nötige Geld für eine solche Maschine aufzutreiben?«
Mehr als ein Dutzend Augenpaare blickten ihn an. »Das, meine lieben Freunde«, sagte Ninos, »ist eure Rechenaufgabe für morgen. «
Ninos hatte noch viele Fragen, als sie kurze Zeit später vom Warren House aufbrachen. Inzwischen hatten sich zwei äußerst höfliche Sanitäter vergewissert, dass Tuva nichts Ernstes fehlte und es keine Anzeichen für eine Vergiftung gab. Sie wollten sie trotzdem mitnehmen, aber Tuva hatte sich geweigert, und Ninos hatte am Ende nachgegeben. Während Tuva untersucht wurde, waren Zoran und Matay mit Leif und Marius in der Küche geblieben, und Ninos hatte keine Gelegenheit gehabt, sich zu verabschieden. Aber er hatte Zoran einen kleinen Gruß hinterlassen, um sein Versprechen zu halten, Leif seinen Auftraggeber zu verraten. Er hatte ihn auf einem kleinen Zettel notiert.
K-H-E-R stand dort geschrieben. Ninos hoffte, dass Leif es seinen Freunden aus London weitergeben würde, wenn sie eintrafen.
Ninos, Matay, Zoran, Sofia und Tuva gingen vereint auf die große Treppe zu, und Ninos stellte sich vor, dass hier im achtzehnten Jahrhundert Jungfrauen in Ballkleidern hinabgeschritten waren, um auf dem Steinboden in der Halle am Fuß der Treppe zu tanzen. Jetzt stieg eine akrobatische Italienerin in schwarzem Lycra die Stufen hinunter, gefolgt von einem ein Meter neunzig großen, breitschultrigen Jugoslawen. Dahinter folgten Ninos und Matay, dessen Bartstoppeln drohten, sich zu einem gehörigen, kohlschwarzen Vollbart zu entwickeln. Das Ende bildete eine dürre, elfengleiche Schwedin, deren Glieder und lange Haare sich so langsam bewegten wie Seegras in seichtem Wind.
Jetzt fehlt nur noch der passende Soundtrack, dachte Ninos, während er langsam Stufe für Stufe nahm. Sie mussten sich jedoch mit Matays Summen
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