Die Wohltäter: Roman (German Edition)
»Eine Krankheit, die Kopfschmerzen verursacht. Schlimme Kopfschmerzen. Sie braucht Medikamente.«
Sofia gab Matay einen Wink, der Marius am Boden übernahm, damit sie aufstehen konnte. Sie sah Tuva forschend an. »Oder sie wurde vergiftet.«
Ninos beugte sich zu Tuva hinab. »Was hast du eingenommen?«, fragte er. »Was haben Sie ihr gegeben?« schrie er Leif an, der nur bedauernd mit dem Kopf schüttelte und ängstlich dreinschaute.
Sofia hatte eine der weiblichen Freiwilligen am Arm gepackt und war mit ihr fortgerannt, um kurz darauf mit einem geblümten Stoffbeutel zurückzukehren, den sie auf dem Boden entleerte. Einige Spritzen und Nasenspray fielen heraus, und zwei Tablettenschachteln, auf denen ein Etikett mit Tuvas Namen klebte.
Ninos hob Tuvas Kopf von seinen Knien und legte ihn behutsam auf den Boden. Dann holte er sein Mobiltelefon hervor und drückte die Kurzwahl von Rask in Stockholm.
»Ninos hier. Was ist Litarex?«
» Ninos. Wie geht es Ihnen?«
»Mir geht es gut, aber ich brauche Ihre Hilfe. Ich habe keine Zeit für lange Erklärungen.« Er betete, Rask möge genau heute ausnahmsweise einmal seine Förmlichkeit ablegen und instinktiv reagieren, dass er verstehen möge, wie wichtig es wäre. Aber das Gebet verhallte offenbar ungehört, bevor Rask wieder das Wort ergriff.
»Ninos«, sagte er ernst. »Ich kann Sie nicht länger ärztlich behandeln, wenn Sie nicht mit mir kommunizieren. Ich habe Ihnen kein Lithium verschrieben, und ich hoffe wirklich, dass auch niemand anderes das getan hat. Zwar sind Sie mitunter manisch, aber Lithium wäre wirklich übertrieben.«
»Lithium«, flüsterte Ninos Sofia zu, deren Kopf direkt über ihm war.
»Hören Sie mir zu«, sagte Ninos dann in ruhigem Tonfall. »Ich habe eine Person bei mir, die Horton hat. Sie hat Lithium genommen, oder warten Sie – Litarex steht auf der Packung. Ich rufe an, weil ich ihre Hilfe brauche. Bitte, etwas stimmt nicht mit ihr.«
»Haben Sie etwa jemand anderem Lithium verabreicht?«, schrie Rask nun beinahe.
»Nein«, antwortete Ninos und verfluchte denjenigen, der Rask examiniert hatte. Es sollte verboten sein, dass jemand, der Leben retten sollte, so schwerfällig war.
»Aber sie hat vielleicht zu viel oder zu wenig eingenommen, weil sie ziemlich schlecht aussieht.«
»Dann muss sie ins Krankenhaus«, rief Rask, der in diesem Moment offenbar den Ernst der Lage erkannt hatte. »Bringen Sie sie ins Krankenhaus. Rufen Sie einen Krankenwagen. Sie muss zum Toxikologen.«
»Ja«, sagte Ninos, »aber jetzt habe ich Sie am Telefon und bitte um Rat.«
»Sie muss ins Krankenhaus. Schlimmstenfalls müssen sie eine Dialyse machen und ihr Blut reinigen. Sie würde es nicht lange überleben, wenn sie vergiftet wäre.«
»Danke«, antwortete Ninos und drückte Rask weg. Nachdem er es zunächst mit 911 probiert hatte, erfuhr er, dass man in England 999 wählen musste, und rief einen Krankenwagen.
Währenddessen hatte Sofia sich blitzschnell hingekniet und Ninos befohlen, sich hinter das Mädchen zu setzen und sie zu halten. Dann steckte Sofia ihr zwei Finger tief in den Hals, bis Tuva so viel Galle auf den Boden spuckte, wie sie konnte, während sie gleichzeitig versuchte, sich aus Ninos’ Griff zu befreien. Matay wandte seinen Blick ab, ohne eine Miene zu verziehen.
Sofia zog ihren schwarzen Rucksack zu sich und fischte etwas heraus, das einer Brotdose ähnelte. Sie öffnete sie und riss das Plastik von einer Nadel mit einem kleinen, runden Trichter am Ende. Sie drehte Tuvas Armbeuge nach oben und tupfte sie ab, dann stach sie die Nadel direkt in eine dunkelblaue Ader, die aus der weißen Haut hervorschaute, und befestigte sie mit etwas Klebeband.
Danach entfernte sie die Verpackung von einem silbrigen Paket, das sie Ninos reichte. »Halten!« Er gehorchte sofort. Sie wickelte einen langen, durchsichtigen Schlauch aus der Tüte, die aus dem Paket kam, und befestigte ihn an der Nadel. Dann kniff sie einige Male in den Schlauch um zu sehen, ob die Infusion in die Nadel und letztendlich in Tuva hineinlief.
Tuva kniete vornübergebeugt, ihr Kopf hing nach unten. Ninos hielt noch immer ihre Arme nach hinten und half ihr, aufrecht zu sitzen.
»Offenbar ist sie völlig ausgetrocknet und unterernährt. Lithium geht in die Nieren und zerstört sie, wenn man nicht genug Flüssigkeit im Körper hat«, erklärte Sofia.
Spontan überkam Ninos die Lust, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Er schielte zu Zoran hinüber und beschloss, dass
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