Schattentänzer
Kapitel 1
Der Goldene Wald
»Was hast du denn erwartet, Garrett? Fanfaren?« Kli-Kli vermochte seiner Empörung einfach nicht Herr zu werden, und seine fiepsigen Schreie dürften weit in der Umgegend zu hören gewesen sein.
Sobald ich auch nur ein falsches Wort über die Wälder Sagrabas verlor, ging der kleine grüne Kobold in die Luft. Mokierte ich mich über eine verwelkte Blume, ließ der königliche Hofnarr prompt eine Tirade zur Verteidigung seiner Heimat vom Stapel.
»Natürlich nicht«, erwiderte ich beschwichtigend. Ich bedauerte bereits, mich überhaupt auf das Gespräch eingelassen zu haben. »Aber ich habe mir Sagraba halt anders vorgestellt.«
»Und wie, wenn ich fragen darf?«
»Ich weiß auch nicht«, gestand ich. Wenn mich diese Nervensäge von Kobold doch endlich mal in Ruhe ließe!
»Wenn du es nicht weißt, warum jammerst du mir dann die Ohren voll?« Verärgert trat Kli-Kli gegen einen kleinen Erdhaufen. »Dieses passt ihm nicht! Jenes passt ihm nicht! Was stellst du eigentlich für Ansprüche?! Bei dir müssen Bäume wohl immer neunhundert Yard groß sein, was?! Verlangst du Bäche voller Blut und unter jedem Strauch einen Oburen? Tut mir leid, aber dann bist du hier falsch! Sagraba ist ein Wald, kein Kindermärchen, das Gestalt angenommen hat!«
»Das habe ich inzwischen auch begriffen«, blaffte ich.
»Das hat er auch begriffen! Ja, hat man denn Töne!«
»Kli-Kli, sei ein bisschen leiser«, bat Aal vor uns, ohne sich zu dem Kobold umzudrehen.
Kli-Kli warf einen beleidigten Blick auf den hochgewachsenen, dunkelhäutigen Garraker und schnappte ein. In den nächsten zwei Stunden war kein Sterbenswörtchen mehr aus ihm herauszubekommen.
Wir streiften bereits seit fünf Tagen durch Sagraba. Genau! Neun Verrückte, darunter zwei dunkle Elfen, ein Kobold, ein breitschultriger Zwerg, ein bärbeißiger Gnom mit Rauschebart, ein mürrischer Ritter, zwei Soldaten und ein Kerl mit einem unzweifelhaft diebischen Habitus zogen gemeinsam durch diesen Nadelwald und wehklagten aus vollem Hals. Warum wehklagten sie? Eben weil sie verrückt waren. Und warum waren sie verrückt? Weil kein normaler Mensch in dieses Land der Wälder vordringen würde, und sei es für alles Geld der Welt, geschweige denn einen Fuß in das Gebiet der Orks setzen würde, deren Gastfreundschaft in ganz Siala legendär war.
Dabei waren wir eigentlich gar nicht übermäßig verrückt (zumindest ich für meinen Teil nicht). Niemand hätte sich nach Sagraba begeben, wenn es nicht gälte, etwas zu beschaffen, das man das Horn des Regenbogens nannte. Damit drängt sich natürlich die Frage auf, was zum Dunkel wir mit dieser verdammten Tröte aus den Tiefen Hrad Spines überhaupt wollten? Dazu möchte ich festhalten, dass ich persönlich getrost hätte darauf verzichten können, runter zu den Friedhöfen zu krauchen. Ich wäre gewiss auch niemals hergekommen, gäbe es da nicht diesen Kontrakt, der verlangte, dass ich das Horn noch vor dem Frühling dem Orden der Magier in der ruhmreichen Stadt Awendum zu überbringen hätte. Wenn ich das nämlich nicht schaffte, dann hieße es: Gute Nacht, Vagliostrien.
Das Horn des Regenbogens bannte einen Kerl namens der Unaussprechliche , der seit nunmehr fünfhundert Jahren an unserem Königreich Rache nehmen wollte. Die Magier waren einst dumm genug gewesen, es tief in den Beinernen Palästen zu verstecken. Allmählich schwand die Kraft des Horns jedoch, sodass wir damit rechnen mussten, dass sich der Unaussprechliche Verstärkung aus den Öden Landen holte und Vagliostrien nach dem Winter einen Besuch abstattete. Natürlich beabsichtigte niemand, ihn mit offenen Armen zu empfangen. Eben deshalb brauchte der Orden der Magier ja auch das Horn – um den Feind in seine Eiswüste zurückzutreiben.
Dies sei also für alle diejenigen vorausgeschickt, die sich den Kopf darüber zerbrechen, was wir eigentlich in Sagraba treiben: Wir besorgen das Horn, retten die Welt und befassen uns mit ähnlich unsinnigem Kram. Das ist dumm von uns? Einverstanden. Das wiederhole ich mir selbst jeden Morgen beim Aufwachen. Nur hört niemand auf mich. Miralissa nicht und Alistan Markhouse schon gar nicht.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich selbst schuld an der Misere bin. Ich hatte mich auf einen Kontrakt eingelassen – und einen Kontrakt bricht niemand. Allein deshalb keuchte und hetzte ich durch diese Wälder und musste ständig gewaltigen Schwierigkeiten entrinnen. Immerhin hatte der Kontrakt
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