Die Wohltäter: Roman (German Edition)
Kriegsgöttin. Genau wie er würde auch sie anderen Menschen helfen. Nicht alle wussten über ihre gemeinsamen Pläne Bescheid, und es war nicht anzunehmen, dass alle sie verstehen würden. Dass man Kapital mit Kapital schlagen musste. Sie achteten genau darauf, nicht aus der Menge herauszustechen, und keiner der anderen wusste etwas von seiner heimlichen Geburtstagsüberraschung. Sie wollte seiner würdig sein. Aber sie musste aufhören, ihn bei diesem kindlichen Kosenamen zu nennen. Heute Abend würde sie erwachsen werden.
Sie war sechzehn Jahre alt. Als sie auf die Zweiundfünfzigste Straße hinausgingen, nahm er ihre Hand und lächelte. Auf den hohen Absätzen fühlte sie sich etwas unsicher, aber sie streckte ihren Rücken, damit niemand sie für ein Kind halten würde. Am heutigen Abend hatte er sie auch Champagner trinken lassen. Dessen Geschmack empfand sie als säuerlich und unrein, aber es gefiel ihr, wie die Bläschen kitzelnd in der Nase emporstiegen und zwischen den Augen zerplatzten.
Als sie die wenigen Straßenzüge zurück zum Hotel gingen, griff er ihre Hand fester als gewöhnlich. Der Portier des Waldorf Astoria nickte dem ergrauten Mann und seiner Begleitung zu. Er wünschte ihnen einen guten Abend und setzte die Drehtür in Bewegung. Sie hoffte, dass sie wie zwei Erwachsene aussahen und nicht wie ein alter Opa in Gesellschaft seines Enkelkindes. Wie auch immer – sie fühlte sich sehr privilegiert. Schon bevor sie aus dem Aufzug zur sechzehnten Etage stieg, wusste sie, was sie erwartete. Hinterher wurde ihr klar, dass sie es schon lange geahnt hatte.
Als sie vor der Tür seiner Suite standen, war sie bereit. Das war das Wenigste, was sie tun konnte, denn was gab es Schöneres, als sich dem Mann zu schenken, den man über alles in der Welt liebte?
11
Das Radio war ein Schutzobjekt, was bedeutete, dass es zu den gesellschaftlichen Einrichtungen in permanenter Kriegsbereitschaft zählte. Das Amt für Kriegsbereitschaft entwarf offenbar ein ähnliches Szenario wie die Dolmetscherschule, die ihre Schüler immer noch in Russisch ausbildete: Denn die russischen Fallschirmspringer, die auf den Stadtteil Gärdet herabtrudeln könnten, würden als Erstes versuchen, die Nachrichtenredaktion des Senders auszuschalten, um im ganzen Land ihre Kommunistenpropaganda zu senden.
Laut Plan wäre das Radio in diesem Falle allerdings nicht außer Gefecht gesetzt: Unter dem Rundfunkhaus gab es einige schmale, heimliche Gänge, in die sich Reporter mit besonderer Schutzklasse begeben sollten, sobald der Alarm ausgelöst würde. Abgesehen davon, dass Karin sich bereits mehrmals in den Tunneln verlaufen hatte, die im Übrigen auch das Radio mit dem Fernsehen verbanden, wusste sie nicht, wohin genau sie führten. Mehr als einmal hatte sie nur mithilfe irgendeines vergessenen Gärtners wieder hin ausgefunden, der immer im Keller herumzuirren schien. Gerüchte besagten, das Radio finanziere mindestens eine Wohnung in Östermalm und einen Bunker hinter dem Rundfunkturm Kaknästornet, die ständig auf den neuesten Stand der Technik gebracht wurden und mit einer mobilen Radioausrüstung versehen waren, um den Widerstand aufrechterhalten zu können.
Karin fand diesen Gedanken unglaublich romantisch und wünschte sich, eines Tages mit der Aufgabe des Schutzreporters betraut zu werden. Niemand wusste, wer die Auserwählten genau waren, doch hin und wieder verschwanden einige der ältesten und routiniertesten Reporter einige Tage lang zu Übungen. Mit einer gewissen Verbitterung hatte Karin bemerkt, dass die gesamte potenzielle Widerstandsbewegung bald in Rente gehen würde. Bei dieser Gelegenheit würde man vielleicht auch feststellen, dass die von Russland ausgehende Bedrohung nicht mehr ganz so akut war.
So desinteressiert sich Karin an der Gewerkschaft zeigte, so gerührt war sie, wenn sie die Gelegenheit hatte, zum Verteidigungsministerium im Värtaväg hinaufzufahren und von einem Berufssoldaten mit Namensschild und strammer Haltung eskortiert zu werden. Welch wunderbare Fügung, dass das Verteidigungsministerium in der Nähe des Rundfunkhauses lag, dachte Karin. Ihr gefielen die ausrasierten Nacken und die präzisen Antworten der Soldaten, vor allem aber war sie insgeheim von der Vorstellung fasziniert, dass deren Job in letzter Konsequenz auf die Bereitschaft hinauslief, für sie zu sterben, falls notwendig.
Karin selbst konnte sich dagegen nicht vorstellen, sich für diese Dienstleistung auf gleiche Weise
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