Die Wohltaeter
Neues zeigen.«
»Wo hat er denn gelebt?«, erkundigte sich Ninos.
»Überall auf der Welt ein bisschen. Er hatte in mehreren Ländern Immobilien gekauft, und alle Gelder liefen über eine Aktiengesellschaft, die zu seinem persönlichen Schutz gegründet worden war. Mit der Zeit flossen immer größere Teile der Einnahmen dorthin.«
»Wo konnte so viel Geld herkommen?«
»Tausende von Menschen arbeiteten ohne Lohn, und diejenigen, die Lohn erhielten, bekamen ihn vom dänischen Staat als Lehrergehalt ausgezahlt, welches ja sofort in den »Gemeinschaftstopf« floss. Wir arbeiteten sechzehn Stunden am Tag und hatten unglaublich wenig Lebenshaltungskosten, denn wir bauten unser eigenes Essen an, und unsere Ziele waren uns wichtiger als persönlicher Komfort. Außerdem stärkte es angeblich den Geist, es sich nicht allzu gemütlich zu machen.«
»Warum bist du darauf eingegangen?«, fragte Ninos.
»Wir wollten unseren Führer ja um jeden Preis schützen. Møllers Arbeit wurde als so schwierig und wichtig angesehen, dass es uns motivierte, uns selbst zu kasteien.«
Ingrid wühlte erneut im Schuhkarton und zog das Bild des so genannten Außenministers hervor, der eine dickrandige, schwarze Brille trug. »Hans legte übrigens den Grundstein für HHH. Wir hielten es für unnötig und extravagant, uns neue Kleidung zu kaufen, also veranstalteten wir große Sammlungen, um die Sachen anderer Leute wiederzuverwenden. Die Menschen waren dankbar, aus ihrem Überfluss aussortieren zu können. Das funktionierte so gut, dass wir diesen Bereich ausweiteten und anfingen, die alten Kleider auch zu verkaufen, und den Rest schickten wir in die Dritte Welt weiter.
»Kamen die Klamotten denn an?« Ninos war bereits schwindelig vor Hunger, aber er war zielgerichtet genug, um zu erkennen, dass sie sich jetzt dem Thema näherten, über das er nun schon wochenlang nachgedacht hatte.
»Zum Teil. Häufig nicht. Wir verkauften sie einfach weiter und behielten den Erlös. Wir verdienten unglaublich viel Geld. Wir verübten keine richtigen Straftaten, außer, dass wir ein bisschen übertrieben, wenn wir behaupteten, die Kleidung komme den Bedürftigen zugute.«
»Und das läuft weiterhin so?«
»Ehrlich gesagt weiß ich nur, wie es anfing. Aber ich gehe davon aus, dass die Aktivitäten heute viel raffinierter durchgeführt werden. Und dass dieser Zweig der Organisation gewachsen ist. Nicht zu vergessen die ganzen anderen HHH-Projekte, für die Menschen Geld spenden. Es geht um viel mehr als nur um Altkleider. Sie sind nur die Spitze des Eisbergs. International ist HHH aber als Wohltätigkeitsorganisation mit mehreren Tätigkeitsfeldern anerkannt.«
Ninos schüttelte den Kopf. »Aber es müsste doch trotzdem illegal sein?«
Ingrid schwieg. Zum ersten Mal schien sie sich wirklich unbehaglich zu fühlen.
»Ich kann dir sagen, Ninos, dass ich auf keinen Fall bei einer Sache habe mitwirken wollen, bei der Hungernde, denen Essen versprochen wurde, leer ausgingen. Aber ich habe ihm vertraut. Keiner von uns, der sich sein ganzes Leben dafür eingesetzt hat, hätte geglaubt, dass das Überleben der Organisation wichtiger sein könnte als ihr Ziel. Er machte uns weis, dass wir Teil eines größeren Plans wären – dass es notwendig wäre, den Wohltätigkeitsbereich so auszudünnen und den Empfängern nur einen kleinen Teil dessen zu überlassen, was man ihnen versprochen hatte. Ich war mir vollkommen sicher, dass es richtig sein musste, denn ich war selbst für die Gründung von Geschäftsbereichen und wohltätigen Stiftungen zuständig, die man auf keinen Fall miteinander in Verbindung bringen durfte. Aber wir waren die ganze Zeit davon überzeugt, dass dies eher technische Details wären. Wir sollten doch eine neue Gesellschaftsordnung aufbauen, wen kümmerte es da, ob wir ein bisschen Geld wuschen? Wir waren unsere eigene Regierung und wussten, was zu unserem Besten war.«
Sie tippte sich mit dem Finger gegen die Stirn. »Ich hatte fast alles hier oben gespeichert. Und es existierten keine Dokumente, die beweisen konnten, dass die Firma etwas mit Møller zu tun hatte. Zumindest nicht zu meiner Zeit. Jetzt sitze ich hier und erzähle von etwas, das sich vielleicht wie ein unglaubliches Verbrechen anhört, für dessen Perfektionierung ich viele Jahre meines Lebens opferte. Aber ich kann nichts darüber sagen, wie illegal im Sinne des Gesetzes das war. Dafür wurde es zu groß, schon als ich noch da war. Und Møller unterschrieb nie auch nur
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