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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Meighörner
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er sähe. Doch hätten die Freunde der Vernunft in Petrarcas Trostbuch nicht schon gestritten, ob man Zwerge lustig oder scheußlich finden sollte?
    Und Gott hätte all dies erschaffen, das Große und das Geringe. Und Jesus hätte zu Lukas gesagt: „Wer der Kleinste ist unter Euch allen, ist dieser, der groß ist“, sprach der Wiltener.
    Vielleicht wollte die Vorsehung ja, dass ich den Menschen zeige, wie groß der Kleinste unter ihnen sein kann. Den Hiesigen besonders, die Fremdes nicht gerne dulden.
    Verwirrt ritt ich mit meinem Herrn zur Hofburg zurück. Sollte ich noch mehr poussieren, jonglieren, charmieren, um den Berglern zu gefallen? Mein Herr schwieg. Er war immer noch verärgert über die Frechheit des Tiroler Adels, einen Erben einzufordern.
    Schon bald hieß es, der neue Landesfürst hätte seine böhmischen Mätressen einbestellt. In der Dunkelheit der Nacht seien eine junge Blonde und zwei ältere Amüsierweiber vor Ambras vorgefahren. Wären mit ihrem Kutschtross sofort hinter den dicken Mauern verschwunden.
    Deshalb also hätte er das alte Gemäuer herrichten lassen. Zu einem Ort der Unzucht, sicher bezahlt mit Tiroler Geld. Als ob es in Innsbruck keine Schlafweiber gäbe?
    „In dieser Schönheit sterbe ich“, soll die Blonde wie im Rausch gesagt haben, als sie die Nordkette im vollen Mondlicht erblickte.
    Und dann – ein Ambraser Spätheimkehrer hätte es mit eigenen Augen gesehen, ja, er könne es beschwören – seien Särge ausgeladen worden.

3
    Jetzt posaunen sie es groß hinaus – die Besserwisser.
    Man sei bestürzt, vermeldete die Fugger-Zeitung, dass das renommierte Bank- und Handelshaus Welser, unter dem ehrenwerten Bartholomäus Welser dem Älteren, Venezuela vorzeitig an die spanische Krone zurückgeben müsse. Misserfolge in der Kolonialisierung hätten Kaiser Karl V. bewogen, den „Asiento“ von 1528, der den Welsern die Statthalterschaft der Überseeprovinz auf 30 Jahre übertragen hätte, früher zu beenden.
    Zu allem Unglück seien Bartholomäus Welser der Jüngere und sein Begleiter, der Welser’sche Generalkapitän Philipp von Hutten, in Venezuela zu Tode gekommen, so die Fugger’schen.
    Zu Tode gekommen? Cousin Bartlmä und von Hutten wurden ermordet. Bestialisch ermordet. Vom selbsternannten spanischen Gouverneur Juan de Carvajal überfallen und geköpft. Jedem Huhn auf einem Hackstock erging es besser. Mit stumpfen Macheten droschen die Mörder auf ihre Opfer ein. Der junge Bartlmä hat am meisten gelitten. Sein Kopf wollte sich partout nicht vom Rumpf lösen. Allein sein Diener Juan überlebte das Gemetzel. Bei Quíbor geschah es.
    Noch nie habe ich Onkel Bartlmä so erlebt, als am Tag, als er meinen Eltern die Nachricht überbrachte. Über Nacht grau geworden war sein roter Bart, die prallen Wangen hohl. Schwer lastete die Entscheidung, den eigenen Sohn übers Meer geschickt zu haben.
    Der sollte lernen, sollte sich beweisen, war er doch in Augsburg ein Tunichtgut.
    Vier Jahre lang hatte er diese grüne Hölle durchwandert. Seine Stiefel verfaulten ihm an den Füßen, hohe Gebirge hatte er damit erklommen, um dann bei seiner Rückkehr an die Küste – in vermeintlicher Sicherheit – seinen Mördern zu begegnen. Welserblut vergossen in Welserland. Cousin Bartlmä geschlachtet wie Federvieh.
    „Die Spanier selbst raffen das Gold. Ihre Konquistadoren Pizarro und Almagro haben es den Inkas entrissen.
    Soll ihr König Philipp es doch selbst bewirtschaften, dieses verfluchte Land. Jeder weitere Gulden aus Augsburg ist Verschwendung. Jetzt, wo diese scheinheilige Brut uns drei Viertel unseres Vermögens schuldet!“ So hörte ich den Onkel zum Vater reden.
    Geldjongleure seien wir. Die Peutingerin sagte dies der Mutter am Markt ins Gesicht. Wie eine Weihnachtsgans hätten wir den Habsburger Adler gestopft. Würden uns nun wundern, wenn der Gestopfte uns nicht munde.
    Hätten uns vom Kaiser dieses ferne Land aufschwatzen lassen. Zur Kolonialisierung. Seit wann missioniert ein Kaufmann Wilde, bringt den Unwilligen das Pflügen bei?
    Wie im Fieber habe Bartlmä den einzigen Sohn nach dem Gold geschickt. Wo die Spanier doch immer raffinierter seien. Gingen diese bankrott, seien die Welser perdu.
    Doch bald könnte es uns noch ärger ergehen. Auf Bartlmä den Ernährer folge nun Franz der Verzehrer. Franz, ihr Mann, mein Vater – das leichte Blut.

München 1568
Im Teig
    Stell dir alles vor, was du dir an Farben, Gerüchen, Lärm, Menschengetümmel und Speisen vorstellen

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