Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman
Tirolers, diesem Wolkenstein“, tuschelte die Rosenbergin.
Tuschka, in ein rot-grünes ungarisches Hofkleid eingeschnürt, so dass ihr Busen wie ein Prachterker vorstand, schien in Herrn von Trautson einen Bewunderer gefunden zu haben. Auch die rosenbergische Porzellantochter ließ sich vom Tiroler Jungadel umgarnen.
Selbst ich genoss die „Ahs“ und „Ohs“ und die kindliche Bewunderung in Augen, die sich noch nicht an allem satt gesehen hatten.
Von zu viel Pläsier überreizt, kam sie dann doch über mich, die Zwergeneinsamkeit. Wurde heimwehkrank zwischen fremden Gesichtern, fremden Tönen. Das Deutsch wurde hier im Hals gesprochen. Die Kehlen der Menschen hatten sich der Landschaft angepasst: Jeder „K-Laut“ ein Ächzen wie aus einer Klamm.
War das Deckenfresko, diese Verherrlichung des Totschlags unter Riesen, unter dem die neuen Vasallen nun um Aufmerksamkeit buhlten, tatsächlich das Abbild eines Landes, das harte Sitten, hochfahrenden Mut und eine talversunkene Eigenbrötelei pflegte?
Rustikale Manieren sollten diesen Abend vorzeitig beenden.
Die Herren von Firmian, Thun, Liechtenstein und Künigl drängten zu Ferdinand. Umringten ihn wie einen Saufkumpan, wobei Firmian seine Hand auf die Schulter seines Fürsten legte. Ungefragt posaunte:
„Es ist possierlich ausstaffiert, euer Zwergentier. Doch will ein Landesherr sich nicht am eignen Blut erfreuen?“
„An Standesgemäßem, man ist hier nicht so hinterm Berg, dass man nicht manches hört“, warf Künigl ein, wurde jedoch von den anderen abgedrängt.
„Durchlauchtigster Herr“, nun führte erneut Firmian das Wort, „ihr seid bald im vierzigsten Jahr und Tirol braucht einen Erben!“
„Sonst fallen wir an Österreich zurück“, rief Künigl aus der zweiten Reihe.
„Meine Herren, möge es dem Südtiroler Wein geschuldet sein, dass ihr so mit Eurem Fürsten redet“, sprach Ferdinand, sichtlich um Contenance bemüht. „Um weitere Weinseligkeit zu verhindern, erkläre ich den Abend für beendet.“ Er rauschte hinaus und ließ verstimmte Tiroler und fassungslose Böhmen zurück.
Derartige Dreistigkeit hätte in Prag im weißen Turm des Hradschin geendet. Bei Wasser und Brot.
In dieser Nacht lag ich lange wach. Als die Erschöpfung mich dann doch übermannte, sah ich mich in einem Tiroler Gebirgsbach enden. Völlig nutzlos. Wie ein silberner Pantoffel aus Prag.
Am nächsten Tag ein neues Lehrstück. Früh ritt ich mit meinem Herrn aus der Stadt nach Süden, dorthin, wo der Aufstieg zum Brennerpass beginnt. Übernächtigt erschien mir das Licht noch greller als am Vortag. Nie hatte Prag je eine solche Helligkeit durchflutet. Auch die Berge hatten an Höhe zugelegt. Lag dies an der baumlosen Ebene von Wilten, dem Schwemmland der Sill?
Ich war im Maul einer Riesenechse gefangen. Die Nordkette mit ihren scharfen Kanten war der Unterkiefer dieses Ungetüms. Ein schneeweißes Todesgebiss. Wobei mancher Geröllbrocken einem faulen Zahnstumpf glich. Nicht weniger bedrohlich.
Mein Herr und ich waren Ungeziefer im Schlund dieses Drachens. Jeden Moment könnte das Maul zuschnappen. Ein Zwerg wäre keinen Zahnstocher wert.
Auch diese Frau Hitt, eine auf dem Gipfelgrat versteinerte Riesenkönigin, könnte einen wie mich zermalmen, ohne es je auch nur zu bemerken.
Krank kam ich beim Stift Wilten an. Mein Herr wollte den Abt von Wilten besuchen, ohne die neuen Hofschranzen. Hatte er den italienischen Bischof von Brixen schon zuvor verprellt, wollte er es sich mit dem Wiltener nicht verderben. Der Wiltener war ein mächtiger Mann. Halb Innsbruck, das halbe Inntal gehörte ihm.
So betraten wir ein Haus, das ein Riese gebaut haben soll und worin er begraben lag. Ein Haus, das eine Drachenzunge hütete, wie eine Reliquie. Als der Abt sie uns auf mein eindringliches Flehen hin zeigte, sah sie dem Horn eines Einhorns ähnlich. Steingrau, hart und wundersam verdreht. So wie alles in diesem Tirol.
In der Begrüßungsmesse wurden mir zum zweiten Mal nach unserem Fortgehen aus Prag die Augen feucht. Der Abt sah dies und ging, nachdem der neue Fürst und er sich ausgesprochen, auch über den Vorfall des gestrigen Abends, freundlich auf mich ein.
Dies sei kein natürlicher Ort für einen wie mich. Die Berge dergestalt, dass auch ein langbeiniger Kraftlackl sich schwer daran täte, sie zu erklimmen. Die Winter seine gefährlich, schneereich und lang. Steinschlag und Muren bedrohten die Menschen über das ganze Jahr.
Ich sei der erste meiner Art, den
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