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Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman

Titel: Die Wolkenbraut: Das Leben der Philippine Welser. Ein historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeannine Meighörner
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stand. Die Loxan durfte als böhmische Adelswitwe sitzen, doch auch nicht bei den wirklich feinen Leuten.
    Wieso brachte er gleich zwei Mätressen nach München, wo es dort so viele gab? Massimo Troiano, der als Hofdichter das Treiben aufzuschreiben hatte, war die Begehrlichkeit meines Herrn nicht entgangen. Ein scharfer Beobachter, den es verwunderte, dass mein Herr, der als heiratsscheu bekannt war, eine so sinnlose Anhänglichkeit praktizierte. Trug Poseidon etwa Fische ins Meer?
    Ich verkniff mir ein Lachen, als ich den Hofdichter so hatte reden hören. Hatte Ferdinand noch in Prag doch Ritter Montanus von Biganetz wie einen Domestiken auspeitschen lassen, als dieser nach dem Wasserballett im Schlossgarten behauptet hatte, die schöne Unbekannte sei die Animiertochter eines Schankwirtes, die für jeden Tagedieb zu haben sei. Ein Edelmann, ausgepeitscht für eine Hure? Jedenfalls hatten sich die schönen Nasenlöcher nie mehr bei Hofe gezeigt.
    Würden diese nun vor Lachen vibrieren, wenn deren Besitzerin mein Schicksal erführe? Der Lieblingsstumpen ihres Herrn – ihr Hauptkonkurrent um Ferdinands Gunst – sei im Münchner Hochzeitskuchen verreckt.
    Dann hörte ich Jost vor meinen Kuchensarg flüstern, dass sich der letzte Gang verzögere. Erneut hätte der Brautvater, prall wie ein Schlauch Tiroler Lagreins, ein Lobgedicht auf das Jubelpaar eingefordert.
    Nochmals klang das Lied meiner Mutter in mir an. Nur ihr Gesicht brachte ich nicht mehr ganz zusammen. Waren ihre Augen grau? „Wer alle Tage Kuchen isst, Pasteten und Kapaunen …“
    Dieser Teufelssamen, der nicht herangewachsen war, für den man sie im Dorf verhöhnt hatte, der sie letztlich zwar nicht reich, aber satt gemacht hatte, dieser verkaufte Sohn sollte sein Leben ausgerechnet in einer Pastete beenden?
    Jonas fand im Bauch des Walfisches zu Gott. Wie aber ein Gebet auch nur flüstern mit einer Münze und einem Stück Stroh im Maul? Meinem Überlebenshalm.
    Es war einfacher zu hassen: eine Mutter zu hassen, die vor einem verschwimmt, einen Vater zu hassen, den es nie gab, einen Herrn zu hassen, der sich immer so hervortun muss.
    Irgendwann in diesem dunklen, heißen Wahnsinn ruckelte der Wagen an. Gerne hätte ich mich sofort befreit, aber die Pastete war noch nicht an der Festtafel angelangt. Und ein Thomele funktioniert, wenn er muss.
    Es ertönte die verabredete Musik. Mit letzter Kraft streckte ich meine Glieder, brach durch die Teigkruste, riss mein Visier auf und wollte ein Hoch auf das Brautpaar ausbringen. Dabei fiel die Münze aus meinem Mund und kullerte vor Renata von Lothringen, die mich verblüfft ansah. Der Strohhalm blockierte meine Zunge – und doch war die Begeisterung unbeschreiblich.
    Orlando di Lassos Sängerknaben bewegten Münder, Musiker zupften Lauten, bliesen in Flöten, schlugen Trommeln, ohne dass irgendjemand sie hörte, noch hören wollte.
    „Mein Zwerg spuckt Münzen und scheißt Gold“, rief mein Herr, als die Begeisterung abebbte, und blies die Backen auf. Gott sei Dank konnte ich dem nun hellauf begeisterten Brautpaar letzteres schuldig bleiben.
    Ich wurde aus dem ruinierten Kuchen herausgehoben – zehn Zutaten hätten auch gereicht – und überbrachte den Hochzeitern meine Glückwünsche per Handschlag. Die Metallhand, fettig von meinem Martyrium.
    Hätte jedem Gast die Hand geschüttelt, würde Massimo Troiano später schreiben: „Zwerge in Verstecken und Verkleidungen hätte die Welt schon gesehen. Aber noch keinen derartigen Winzling, geharnischt, einem Hochzeitskuchen entsteigend.“
    Mein Auftritt brachte mir einen Platz auf der Haupttribüne des Ritterturniers ein. Eine zweifelhafte Ehre. Thomele kann diese Liaison zwischen Theater und Totschlag nicht leiden.
    Auch sind Zwerge und Ritter so wenig Freunde, wie Hofzwerge und Mätressen Freunde sind.
    Soll der edle Lancelot doch von einem Zwerg vom Ross herunter in einen Karren gelockt worden sein. Was unrühmlich ist, da ein Ritter immer reitet und niemals fährt. Dies mit dem Versprechen, ihn zu seiner Geliebten Ginevra zu führen. Liebesblind bestieg Lancelot einen Henkerskarren und wurde von dem Zwerg so doppelt vorgeführt.
    Doch dieser wusste, was niemand wusste: dass Lancelot eine ehebrecherische Liebe mit der Frau seines Königs verband.
    Achte auf deine Gedanken, ein Zwerg kann sie hören!
    Der Platz vor dem Landständehaus bei der Frauenkirche war mit Sand aufgeschüttet und zum Turnierplatz gerichtet. Einhundertfünfzig Schritt lang, gut

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